Das freie Spiel einer ganz neuen Kraft
2014 zutiefst gedemütigt, zeigte Brasilien im Testmatch gegen Österreich, was anders geworden ist. Nämlich alles.
Mit Tite (oben) als Choreograf und Neymar als Regisseur istbrasilienbei der nahenden Fußball-wm in Russland ein Topfavorit
GEPA
Sie lastet bleischwer auf der brasilianischen Fußballseele, die Hypothek der Schmach von der Heim-weltmeisterschaft 2014 mit dem 1:7 gegen Deutschland als negativemhöhepunkt. Das gilt es nun zu korrigieren, und dies wird nicht mit dem Prinzip der Leichtigkeit des Seins funktionieren. „Wir müssen hart arbeiten“, ist einer der Leitsätze von Tite („Dschidschi“), dem seit zwei Jahren für das Wohlergehen der Auswahl zuständigen Cheftrainer. Der Teamchef hat die Last der Verantwortung für den Wiederaufbau übernommen und scheint mit ihr auf dem bestenweg zu sein.
Inwien lieferte die „Selecao“einen Vorgeschmack dessen ab, was die Gegner bei der WM in Russland zu schlucken haben werden, also in der Vorrunde die Schweiz, Costa Rica und Serbien. Die Mannschaft präsentierte sich als gewachsene Einheit im hochklassigen Segment, was Österreichs Teamchef Franco Foda außerordentliche Anerkennung entlockte. „Sie haben eine extrem gute Qualität“, sagte der Deutsche, der Brasilien schon etwas voreilig „Hochform“bescheinigte, dies aber dann doch relativierte. „Siewerden sich nochweiter steigern“, glaubt Foda.
Der Auftritt vor vier Jahren unter dem chaotisch wirkenden Teamchef Luiz Felipe Scolari kann nur mit dem Titelgewinn 2018 getilgt werden, und es hat eine neue Ordnung Einzug gehalten im brasilianischen System, das nun auch tatsächlich existiert. Tite hat die „Selecao“grundlegend im Taktik-fach unterrichtet und die Mannschaft zeigte sich auch auf Österreich bestens vorbereitet. Aufmerksamen Beobachtern ist vor allem die ausgesprochen stabile Abwehr nicht entgangen, und da helfen alle mit, auch die für die Offensive zuständigen Superstars. „Sie haben oft zu zehnt verteidigt“, sagte Foda, dem besonders die geistige und physische Beweglichkeit der Brasilianer imponierte. „Bei Balleroberung wird nicht lange herumgespielt, da geht richtig die Post ab.“Das bekamen die Österreicher vor allem in der zweiten Hälfte teilweise schmerzlich zu spüren.
Der Angriff strotzt nur so von Weltklasseformat, angefangen vonneymar, dessen Verfassung sich im Laufe der nächstentage und Wochen weiter verbessern dürfte. Jedenfalls ist der Superstar nach seiner Verletzung nicht durch eine überlange Saison ausgepowert, sondern kann beim Turnier seine Fertigkeiten voll zur Geltung bringen. „Ich fühle mich immer besser vorbereitet auf die WM“, sagte Neymar in Wien. Er ist nicht auf sich allein gestellt und kann auf dietalente seinerkollegen Philippe Coutinho, Paulinho, Gabriel Jesus oder auch Firmino bauen. Das Spiel gegen Österreich „war ein Beispiel, dass dieses Team reifer geworden ist“, meinte Tite, in dessen Amtsführung Brasilien in 21 Spielen nur eine Niederlage kassiert hat. „Die Gegner werden müde von der Beweglichkeit, die dieses Team hat.“