Kleine Zeitung Steiermark

Tango, das ist der traurige Gedanke, den man tanzt

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Die Odyssee einer Frau: Mit Astor Piazzollas lyrischem Theater „María de Buenos Aires“beschließt die Oper Graz ab heute in den Kasematten ihre Saison.

Ich

bin María ... María Tango, María der Vorstadt, María Nacht, María fatale Leidenscha­ft, María der Liebe zu Buenos Aires bin ich!“

So stellt sich die Hauptfigur in Astor Piazzollas einzigem szenischen Werk vor. Der Großmeiste­r des Bandoneons nannte es „Operita“, „kleine Oper“. In 16 Szenen ohne durchgehen­de Handlung erzählt das Libretto seines Künstlerfr­eundeshora­cio Ferrer in einem surrealen Bilderboge­n von den Hoffnungen und Leiden einer Frau, die „mit drei Nägeln in der Stimme geborenwur­de“. In ihrerheima­tstadt Buenos Aires erlebt sie eine Odyssee – als Kind und Tänzerin, als Heilige und Hure, als Lebende und (nach einem skurrilen Begräbnis) als Schatten in der Unterwelt.

Die tiefen, bitteren Seufzer des Tangos beherrscht­e Piazzolla wie kein anderer. In „María de Buenos Aires“, geschriebe­n 1968, gelang ihm in einer unnachahml­ichen Mischung austangoar­gentino, Jazz, Bar-

musik und klassisch-orchestral­en Elementen eine poetische Erzählung, die besonders verstehen lässt, dass (nicht nur) für die Argentinie­r der Tango „der traurige Gedanke ist, den man tanzt“.

Astor Piazzollaw­urde 1921 in Mar del Plata geboren. Mit seinen argentinis­ch-italienisc­hen Eltern lebte er eine Zeit lang in Newyork, wo er nebenklavi­er seinem Vater zuliebe auch Bandoneon lernte. Der in Deutschlan­d entwickelt­e „Bruder“des Akkordeons war im frühen 20. Jahrhunder­ts als Tango-instrument populär geworden. Piazzolla trug später wesentlich dazu bei. Er gründete in seinerheim­at zunächst klassische Orquestras und entwickelt­e danach mit seinem Quintett diemelange aus europäisch­en, südamerika­nischen und afrikanisc­hen Musikstile­n zum Tango Nuevo weiter – anfangs dafür schwer angefeinde­t, sodass sich seine Familie kaum auf die Straße traute, bald aber bejubelt als König des Genres, dessen Tod 1992 die ganze Nation beweinte.

„María de Buenos Aires“fand viele engagierte Botschafte­r wie Geiger Gidon Kremer oder Sängerin Milva. Im Jahr 2000 erlebte die „Operita“bei den Bregenzer Festspiele­n ihre erste szenische Aufführung in Österreich, in Graz brachte sie „folksmilch“im Vorjahr konzertant auf die Bühne. Nun beschließt die Grazer Oper mit dem lyrischen Theater ihre Saison und startete wegen des großen Andrangs schon gestern mit einer Voraufführ­ung in den Schloßberg-kasematten. Michael Tschida KK

CD- TIPP

María de Buenos Aires. Gidon Kremer, Kremerata Musica, Vokalsolis­ten. 2 CDS. Warner (1988).

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König des Tangos und des Bandoneons: Astor Piazzolla (1921–1992)
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