Zwischen Mitleid und Egoismus
Für Mindestgrößen von Käfigen wird gekämpft, aber Asylzentren sollen „nicht besonders attraktiv“sein?
können ziemliche Egoisten sein. Ja, das klingt jetzt zu verallgemeinernd. Also besser: Jeder wird irgendwann zum Egoisten. Aber jeder kennt hoffentlich auch Mitleid, der den Egoismus zügelt. Am wenigsten ausgeprägt ist das Mitleid leider gegenüber jenen, deren Not wir nicht sehen, über deren Not wir beim Einkaufen nicht stolpern. Wer würde es auch aushalten, mit gefüllten Taschen unterernährte Kinder zu sehen. Weitaus leichter lässt sich da über jene reden, die nicht gesehen werden. Öster- reichsregierung lässt ja gebetsmühlenartig wissen, dass Migranten in Asylzentren von sicheren Drittländern zurückgeschickt werden müssten. Und diese sollen, wie der dänische Regierungschef sagt, „nicht sonderlich attraktiv“sein. Wir bräuchten, sagt Kanzler Kurz, einen „Systemwechsel in der Migrationspolitik“und dafür eine „Achse derwilligen“.
Die Unwilligen werden das als unmoralisch brandmarken, die Willigen als legitimen Schutz des Sozialsystems und des sozialen Friedens begrüßen. Letztere können sich mit Kurz auch auf den Philosophen Peter Sloterdijk berufen, der meint, es gebe keine moralische Pflicht zur Selbstzerstörung, die er bei offenen Grenzen erwartet. Also Egoismus aus Vernunft anstelle von Mitleid? Es kann wohl nur einen Mittelweg geben – Schutz der Außengrenzen, höhere Entwicklungshilfen, humane Asylzentren.
auch obszön, um Mindestgrößen von Käfigen für glücklichere Hühner zu kämpfen, aber uns um die Ausstattung von Asylzentren für Menschen in Not nicht zu kümmern. Ob der dänische Regierungschef vergessen hat, dass es sich da um Menschen handelt? Möglich. Vielleicht sieht er aber auch angesichts von Millionen von Menschen in Not keinen anderen Ausweg mehr und war einfach nur obszön ehrlich.