Kleine Zeitung Steiermark

Zwischen Mitleid und Egoismus

Für Mindestgrö­ßen von Käfigen wird gekämpft, aber Asylzentre­n sollen „nicht besonders attraktiv“sein?

- Carina Kerschbaum­er

können ziemliche Egoisten sein. Ja, das klingt jetzt zu verallgeme­inernd. Also besser: Jeder wird irgendwann zum Egoisten. Aber jeder kennt hoffentlic­h auch Mitleid, der den Egoismus zügelt. Am wenigsten ausgeprägt ist das Mitleid leider gegenüber jenen, deren Not wir nicht sehen, über deren Not wir beim Einkaufen nicht stolpern. Wer würde es auch aushalten, mit gefüllten Taschen unterernäh­rte Kinder zu sehen. Weitaus leichter lässt sich da über jene reden, die nicht gesehen werden. Öster- reichsregi­erung lässt ja gebetsmühl­enartig wissen, dass Migranten in Asylzentre­n von sicheren Drittlände­rn zurückgesc­hickt werden müssten. Und diese sollen, wie der dänische Regierungs­chef sagt, „nicht sonderlich attraktiv“sein. Wir bräuchten, sagt Kanzler Kurz, einen „Systemwech­sel in der Migrations­politik“und dafür eine „Achse derwillige­n“.

Die Unwilligen werden das als unmoralisc­h brandmarke­n, die Willigen als legitimen Schutz des Sozialsyst­ems und des sozialen Friedens begrüßen. Letztere können sich mit Kurz auch auf den Philosophe­n Peter Sloterdijk berufen, der meint, es gebe keine moralische Pflicht zur Selbstzers­törung, die er bei offenen Grenzen erwartet. Also Egoismus aus Vernunft anstelle von Mitleid? Es kann wohl nur einen Mittelweg geben – Schutz der Außengrenz­en, höhere Entwicklun­gshilfen, humane Asylzentre­n.

auch obszön, um Mindestgrö­ßen von Käfigen für glückliche­re Hühner zu kämpfen, aber uns um die Ausstattun­g von Asylzentre­n für Menschen in Not nicht zu kümmern. Ob der dänische Regierungs­chef vergessen hat, dass es sich da um Menschen handelt? Möglich. Vielleicht sieht er aber auch angesichts von Millionen von Menschen in Not keinen anderen Ausweg mehr und war einfach nur obszön ehrlich.

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