Kleine Zeitung Steiermark

Leiden nach der Amokfahrt

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ist mit seiner Vespa unterwegs. Er kann sich gerade noch zur Seite retten. Adis Dolic´ (28) und seine Frau Adisa (25) nicht. Die Frau wird schwer verletzt, ihr Mann, den sie erst 14 Tage vorher geheiratet hatte, stirbt am Tatort. Einige Hundert Meter weiter steigt der Amokfahrer aus dem Auto und sticht eine Frau aus Afghanista­n nieder, bevor er durch die Innenstadt rast. In derherreng­asse tötet er eine Frau und einen kleinen Buben.

Gezielt fährt er auf die Menschen zu – auch auf Helmut Leitner und seinen Sohn Philipp. Als Alen Rizvanovic´ von der Polizei vor der Inspektion Schmiedgas­se gestoppt wird, gibt es drei Tote, über 40 zum Teil Schwerverl­etzte – insgesamt 106 Opfer.

Was war das Motiv für diese Wahnsinnsf­ahrt? Rasch wurde bekannt, dass der Tatverdäch­tige aus Bosnien stammt, sofort wurde ein islamistis­cher Anschlag vermutet, denn diese Amokfahrt war wie in einem Videofilm des Islamische­n Staates (IS) abgelaufen. Doch schon zwei Stunden späterwerd­en Landeshaup­tmann Hermann Schützenhö­fer und Landespoli­zeidirekto­r Josef Klamminger vor laufenden Kameras erklären: „Es handelt sichumeine­n geistig verwirrten Mann.“Also kein Terroransc­hlag.

Im Zuge des Verfahrens stellt sich heraus, dass es die Rache eines gekränkten Mannes war, den die Frau mit den Kindern verlassen hatte. Jetzt geht es nur noch um die Frage: War der Amokfahrer zur Tatzeit zurechnung­sfähig? Die Gutachten sind widersprüc­hlich. Der Grazer Psychiater Manfred Walzl sagt Ja. Seinkolleg­e Peter Hoffmann und der deutsche Obergutach­ter Jürgen Müller bescheinig­en Rizvanovic´ Zurechnung­sunfähigke­it.

In weißem Hemd und weißem Anzug präsentier­t sich der Angeklagte den Geschworen­en, plädiert auf Zurechnung­sunfähigke­it. Doch das Gericht entscheide­t für lebenslang­e Haft. Der Oberste Gerichtsho­f bestätigt dasurteil. Jetzt hadert Alen Rizvanovic´ in der Justizanst­alt Garsten mit seinem Schicksal, möchte in die Karlau überstellt werden – bisher vergeblich.

Helmut Leitner hegt keinen Hass gegen jenen Mann, der ihm und seiner Familie so viel Schmerzen und Leid zugefügt hat. „Wichtig ist, dass er seine gerechte Strafe bekommenha­t“, betont der Grazer. „Aber jedes Mal, wenn ich eine Schmerztab­lette nehmenmuss, kommtalles wieder hoch. So etwas kann man nicht ausblenden.“Leitner ist nicht das einzige Opfer, das mit diesem Trauma leben muss.

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