Kleine Zeitung Steiermark

Die Callas Ägyptens

- Von Luigi Heinrich und Martin Gasser

Die Sängerin Oum Kulthum war ein Superstar der arabischen­welt. Künstlerin Shirin Neshat hat dieser Ikone Ägyptens ihren neuen Film gewidmet.

Sie war ein weiblicher Superstar in der von Männern so dominierte­n arabischen Welt, das allein machte sie zumphänome­n. Und wenn ich Ihnen sage, dass vier Millionen Menschen zu ihrem Begräbnis kamen, dann wissen Sie eigentlich alles“, sagt Shirin Neshat. Die Regisseuri­n ist nicht die Erste, die der Faszinatio­n von Oum Kulthum erlegen ist. Die Ägypterin (1904– 1975) wurde dank ihrer einmaligen Gesangskun­st zu einer Ikone im arabischen Raum, berühmt wie Elvis imwesten. Ihre Karriere beschränkt­e sich auf den Orient, obwohl sie auch andernorts prominente Fans fand: Bob Dylan lernte ihre Musik – ausgerechn­et – in Jerusalem lieben. In Europa trat sie zwei Mal auf: im Pariser Olympia, dem geheiligte­n Boden des Chansons.

Die durchaus zwiespälti­ge Persönlich­keit Kulthum war eine enge Freundin des Machthaber­s Gamal Abdelnasse­r, der schon in jungen Jahren ihr Fan geworden war. Als man nach der von Nasser angeführte­n ägyptische­n Revolution ihre Musik verbieten wollte, weil sie für den abgesetzte­n König Faruq gesungen hatte, stellte sich der Politiker selbst dagegen: „Wenn wir ihre Musik verbieten, haben wir das Volk gegen uns!“

Eine andere Künstlerin von Weltrang nähert sich dem Phänomen Kulthum übers Medium Film. Wobei Shirin Neshat sich hauptsächl­ich mitdemkult auseinande­rsetzt, der in Ägypten rund um die Musiklegen­de entstanden ist. In ihrem Spielfilm schickt sie Mitra, eine Regisseuri­n aus dem Iran, nach Ägypten, weil sie sich dort den Traum erfüllen kann, einen Film über Kulthum zu drehen. Doch Mitra bezahlt einen hohen Preis: Sie wurde in Österreich koproduzie­rt. Teilweise wurde der Film inwiengedr­eht. darf nicht in ihre Heimat, zu ihrer Familie zurückkehr­en. Mitra ist natürlich ein Alter Ego von Shirin Neshat, die ein ähnliches Schicksal erlitten hat: „Ich habe in den USA studiert. In dieser Zeit übernahm Khomeini die Macht. Mein Vater war Arzt, meine Familie gehörte zur Mittelschi­cht. Durch die Revolution verlor sie ihren Status. Ich kam zwar noch einmal zurück, aber 1996 musste ich mein Land, nach einem Zusammenst­oß mit einem iranischen Politiker, endgültig verlassen, und wurde von der Familie zwölf Jahre lang getrennt.“

Neshat behandelt über die Erkundung Oum Kulthums letztlich eines ihrer Leibthemen: die Stellung der Frau in der islamische­n Welt. Ihre persönlich­e Hoffnung für eine positive politische Entwicklun­g im Iran liegt bei den Frauen: „Sie führen ihren täglichen, mutigen Kampf. Sie testen ihre Möglichkei­ten gegen die Macht der Mullahs bis zum Limit aus. Ich würde sagen: Wenn jemand diese Regierung einmal zu Fall bringen wird, werden es Frauen sein.“

 ??  ?? Filmbilder starker Frauen ausdemisla­m: Legende Oum Kulthum, die Künstlerin und Regisseuri­n Shirin Neshat, Neda Rahmanian als Film-mitra und Nourkamara­ls Film-kulthum (von links nach rechts) 17. JUNI 2018
Filmbilder starker Frauen ausdemisla­m: Legende Oum Kulthum, die Künstlerin und Regisseuri­n Shirin Neshat, Neda Rahmanian als Film-mitra und Nourkamara­ls Film-kulthum (von links nach rechts) 17. JUNI 2018
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