Das Reich Gottes in uns
Hans-peter Premur, katholischer Priester in Krumpendorf
ist es sehr hilfreich, neben der Bibel auch andere heilige Schriften dermenschheit zu lesen. Eigentlich gebietet der Respekt vor anderen spirituellen Traditionen, nicht nur die Sekundärliteratur zu überfliegen, sondern in den Quellentexten selbst nach den Spuren Gottes zu suchen.
Einer dieser Texte sind für mich die vedischen Upanischaden der indischen Religionen. Dort finden sich Hinweise für die Suche nach dem Göttlichen und Unsichtbaren immenschlichen und Sichtbaren. Dabei wird die Versenkung in die eigene Mitte, ins eigene Herz empfohlen und dazu angeleitet: „Suche das Göttliche im inneren Herzen kleiner als ein Reiskorn oder Gerstenkorn oder Senfkorn“, heißt es dort, um dessen Dynamik zu erfahren. Die indischen Schriften helfen mir manchmal, das Evangelium besser zu verstehen. So wie früher alle Mystiker diese in-
nere Erfahrung gemacht haben, so sind heute in unserer aktionistischen Welt alle Christen vermehrt dazu eingeladen, die Kraft Gottes in ihrem Herzen zu entdecken.
Der Ackerboden ist meine Seele, in den die göttliche Dynamik ausgesät ist. Es gilt, diese zu entdecken, die Beziehung zu ihr zu pflegen, wie wenn man eine Pflanze hegt und zum Reifen bringt. Aus einem winzig kleinen Funken Göttlichkeit kann ein großes Feuer werden, aus einem klitzekleinen Senfkorn ein ordentlicher Strauch, in dessen entwickelten Zweigen so mancher menschliche Vogel dann Platz hat und Schutz und Heimat finden kann. Die Logik ist klar: aus der inneren Erfahrung heraus dieweltimlichte Gottes aktiv mitzugestalten. Samenkörner möchten Fuß fassen und aus der Mitte heraus sich in die Umgebung ausbreiten, Frucht bringen und eine Funktion im Ganzen erfüllen.