Wenn eine Stadt in die Pedale tritt
Kopenhagen gilt als Mekka der Radfahrer. Ein Ausflug in die Stadt zeigt, wie der Umstieg auf sanfte Mobilität gelungen ist.
Anton spricht diewarnungen mit Nachdruck aus: „Bleibt rechts, haltet bei gelber Ampel und wenn ihr auf der Strecke stehen bleibt, hebt vorher die Hand.“Echt jetzt? Ein eigenes Handzeichen zum Anhalten? Scherz, oder?
Keineswegs. Wer inkopenhagen zur Stoßzeit mit dem Fahrrad unterwegs ist, sollte mit den wichtigsten Konventionen vertraut sein. Das Handheben vor dem Anhalten, das uns unser Begleiter von „Green Bike Tours“kurz vor dem Start näherbringt, ist ein Teil davon. Warum es nötig ist, wird schon nach den ersten Tritten in die Pedale deutlich. Stoßzeit, das bedeutet in der dänischen Hauptstadt vor allem: Zigtausende Kopenhagener schwingen sich in die Sättel ihrer Fahr- räder und radeln von der Arbeit nach Hause. Unangekündigtes Anhalten mitten auf dem Radweg ist da, nun ja, nicht der beste Einfall.
Seit Jahren gilt die Stadt mit ihren knapp 600.000 Bewohnern als europäisches Mekka für sanfte Mobilität. Kopenhagen zählt mehr Fahrräder als Einwohner, in den Straßen sind sechs Mal so viele Radler wie Autofahrer unterwegs. Verantwortlich dafür ist eine seit Jahrzehnten konsequent verfolgte Mobilitätspolitik. Sie schlägt sich nieder in breiten Radwegen, die sich wie ein Spinnennetz über die Stadt legen, und einer langenreiheweiterer Annehmlichkeiten, die Radlern das Leben erleichtern.
Die Konsequenz daraus ist auf den Straßen jedentag sichtbar. Auf unserer Tour durch die Stadt überholen uns Frauen im Businessoutfit, bunt gewandete Jugendliche, Lastenradfahrer, Senioren. Wir selbst überholen – fast keinen. Beim Radeln legen die routinierten Kopenhagener ein beachtliches Tempo hin.
Möglich ist das relativ gefahrlos. Sämtliche Radwege sind mindestens 2,20 Meter breit – pro Fahrtrichtung, wohlgemerkt. In den meisten Fällen verlaufen sie rechts und links entlang der größeren Straßen und sind durch Bordsteinkanten von den Autospuren getrennt. Die Radwege teilen sich mit Richtungspfeilen, fließen ineinander und kreuzen sich. Eigene Ampeln geben den Radlern an großen Straßenkreuzungen etwas früher grünes Licht als dem restlichen Verkehr. Zu den Stoßzeiten gibt’s eine grüne Welle – ausgerichtet auf 20 Stundenkilometer, speziell für Radfahrer. „Klar, für die Autofahrer ist das etwas hinderlich“, sagt Anton. „Aber so machen wir das Radfahren hier eben attraktiver.“
Die Kopenhagener radeln bei jedemwetter, selbst die Post ist mit 1800 Lastenrädern unterwegs. Das war nicht immer so. Doch als in den 1980ern der Autoverkehr immer mehr zunahm, traf man eine Entscheidung: Der Verkehr sollte nicht durch breitere Straßen, sondern durch mehr Fahrräder abgefangen werden. Heute werden in Kopenhagen 43 Prozent aller Pendlerwege per Rad zurückge-