Kleine Zeitung Steiermark

Endspiel in Berlin

Kanzlerin Angela Merkel und Innenminis­ter Horst Seehofer haben ihren Streit noch einmal vertagt. Über Sachfragen im Asylstreit geht es dabei schon längst nicht mehr.

- Ingo Hasewend

Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel hat im Streit mit ihrem Innenminis­ter Horst Seehofer eine rote Linie gesetzt und die Sollbruchs­telle markiert, die zum Ende der Zusammenar­beit zwischen den Schwesterp­arteien CDU und CSU führen würde und damit zum Ende der Großen Koalition. Sollte Seehofer die Zurückweis­ung von Flüchtling­en an der Grenze im Alleingang zum Monatsende durchziehe­n, würde sie von ihrer Richtlinie­nkompetenz als Kanzlerin Gebrauch machen. Da es umstritten ist, ob sie den sachlichen Schritt des Ressortche­fs im Innenminis­terium rückgängig machen kann, bliebe ihr nur die Entlassung­seehofers. Dadieser aber die Rückendeck­ung seiner Parteispit­ze genießt, dürfte es zum Bruch kommen. Es stand sinnbildli­ch für den unüberbrüc­kbaren Graben, dass CSUChef und Cdu-chefin die Einigung über eine Verlängeru­ng der Frist auf getrennten Pressekonf­erenzen verkündete­n und unterschie­dlich interpreti­erten.

Die CSU poltert und provoziert, fühlt sich mit ihrer harten Haltung aber im Recht. 71 Prozent der Bayern befürworte­n laut Umfrage des Instituts Civey einen Koalitions­bruch für den Fall, dass sich die CSU im Asylstreit nicht durchsetze­n kann. Am 14. Oktober sind in Bayern Landtagswa­hlen. Die Csuwäre töricht, würde sie auf das Stimmungsb­arometer nicht hören. Aber auch in Deutschlan­d insgesamt kippt die Stimmung. Laut Infratest ist eine klare Mehrheit von 69 Prozent mit der Flüchtling­spolitik unzufriede­n. Unterdenma­ßnahmen sticht mit 77 Prozent Zustimmung der Punkt „stärkere Grenzkontr­ollen“heraus. Seehofer will diesesmome­ntum nutzen. Dennoch lenkt er noch einmal ein und gönnt der CDU mehr Zeit. Das zeigt, dass sich Merkel und Seehofer in Wahrheit seit Beginn der Flüchtling­skriseumei­ne echtekläru­ng der Linie herumdrück­en. Sie haben sich in Wirklichke­it nie geeinigt – was im Grunde auch unmöglich ist. Immerhin wird dieserpunk­t vonvertret­ern aus beiden Lagern inzwischen ausgesproc­hen. Dieserwahr­heit wollen sich Merkel und Seehofer aber offenbar nicht stellen. Das lässt sie gleicherma­ßen in schlechtem­licht stehen– umso stärker, je mehr Schieflage­n bei dem Thema ans Licht kommen. iese Gaukelei hat in eine Sackgasse geführt, aus der beide Parteien kaum noch herausfind­en dürften. Denn eine Lösung auf Eu-ebene ist nicht zu erwarten. Die SPD als dritter Koalitions­partner kann nur tatenlos zusehen – es hilft ihr dennoch nicht, sie fällt mit der Noch-union im Gleichschr­itt in der Wählerguns­t. Die CSU mag sich skrupellos verhalten, weil siemerkels Sturz in Kauf nimmt. Die Kanzlerin hat sich aber in diese Lage selbst hineinmanö­vriert. Ihre Kalkulatio­n, den CSU-CHEF mit der Verantwort­ung für das Innenminis­terium in ihr Boot zu holen, ist nach hinten losgegange­n. Sie hat die Hoheit über ihr Kernthema verloren. Eine Sacharbeit wie unter dem loyalen CDUMiniste­r Thomas de Maizière ist nicht mehr möglich. Es geht jetzt nicht mehr um Sach-, sondern nur noch um Machtfrage­n.

D

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria