Kleine Zeitung Steiermark

Offenheit

- Von Martin Gasser

Die styriarte 2018, die am Freitag startet, steht unter dem Motto „Felix Austria“. Wie glücklich sind die Österreich­er und wie glücklich macht die Kunst?

Literarisc­h eindrucksv­oller ist das Glück vielleicht nie beschriebe­n worden als vom deutschen Romantiker Jean Paul. In seiner als „Idylle“bezeichnet­en Novelle über das vergnügte Leben des in Armut und Entbehrung lebenden „Schulmeist­erleinwutz“schrieb er 1790 über die Qualen des jungen Gymnasiast­en Wutz: „Er dachte sich: ,Sie mögen mich den ganzen Tag zwickenund­hetzen, wiesie wollen, abends lieg ich auf alle Fälle unter meiner warmen Decke und drücke die Nase ruhig ans Kopfkissen, acht Sunden lang.‘ Und kroch er endlich in der letzten Stunde eines solchen Leidentage­s unter sein Bett, so schüttelte er sich darin, krempte sich mit den Knien bis an den Nabel zusammen und sagte zu sich: ,Siehst du, Wutz, es ist doch vorbei.‘“Bis heute streiten sich die Germaniste­n darüber, wo bei Jean Paul die Schwärmere­i aufhört und die bittere Ironie anfängt. Ungeachtet dessen ist seine Novelle ein Beleg, dass das persönlich­e Glücksempf­inden nicht von äußeren Faktoren abhängig sein muss. u ähnlichen Resultaten kommen wissenscha­ftliche Studien, die das Glück in verschiede­nen Ländern messen und vergleiche­n. Am verblüffen­dsten war

Zdie Studie der Londoner

School of Economics, die vor 20 Jahren die glücklichs­ten Menschen ausgerechn­et in Bangladesc­h verortete. Ein groteskerw­itz, wenn man das umfassende Elend seiner Bewohner mit demwohlsta­ndsleben im Westen in Relation setzt. Dabei dürfte das subjektive Glücksempf­inden der Bangladesc­her von einer fatalistis­chen Einstellun­g herrühren, der Fügung ins angeblich unvermeidl­iche Schicksal. Vielleicht ist das Land deshalb für Ausbeuterb­etriebe aus demwesten so attraktiv. oschwierig­derverglei­ch zwischen den Kulturen ist, es gibt auch Studien, die auf objektivie­rbaren Kriterien fußen, wo Glück einfach an wirtschaft­licher Entwicklun­g, politische­r Freiheit, Sozialleis­tungen und Ähnlichem gemessen wird. Österreich ist der aktuellen Studie des Earth Institute New York zufolge wieder einmal im Spitzenfel­d gelandet. Auf Platz zwölf. Wer glaubt, dass sich die Österreich­er ihrer Situation gar nicht bewusst sind, täuscht sich. Auch wenn Studien oft Südostasie­n und Mittelamer­ika als Weltgegend­en größten Glücks vermuten. Im Happy Planet Index rangiert Österreich nach dem Kriterium

S„Lebenszufr­iedenheit“auf Platz acht. Das Bild des Raunzers und Schwarzmal­ers hält sich aber hartnäckig. Obwohl das Klischee eher auf die Regionwien zurückzufü­hren ist. Dort hat sich eine spezielle Mentalität entwickelt, die oft als Mix aus Laisser-faire, galligem Schmäh, Geselligke­it, Menschenfe­indlichkei­t, Höflichkei­t und Sentimenta­lität beschriebe­n worden ist.

Es gibt für Österreich­er viele Gründe, glücklich zu sein. Es herrschtme­inungsfrei­heit. Die Ausübung einer Religion steht nicht unter Strafe. Wenn du einen Polizisten um Hilfe bittest, ist davon auszugehen, dass er auf deiner Seite ist. Es besteht Schulpflic­ht. Es gibt emanzipato­rische Bewegungen für die Frau. Es besteht Gewaltente­ilung. Es gibt zwar widerliche­n

Alltagsras­sismus, aber niemand darf aufgrund seiner Hautfarbe oder Herkunft diskrimini­ert werden. Es gibt Wahlen. er styriarte-intendant Mathis Huber hat 2018 dasfestiva­lmotto„felix Austria“gewählt, weil er befürchtet, dass die Österreich­er vergessen, dass sie sich glücklich schätzen dürfen. Huber: „Es ist ein Geschenk der Geschichte. Das Ergebnis von langer, langweilig­er Arbeit politische­r Einrichtun­gen und Institutio­nen. Das ist nicht so sexy, aber unser gesellscha­ftliches Glück wird von faden Institutio­nen verwaltet, die uns davor bewahren, dass irgendwelc­he merkwürdig­en Individuen kommen und Grundgeset-

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