Guter Ansatz, schlechter Stil
Die Arbeitszeitreform, die der Nationalrat gestern beschlossen hat, gibt Arbeitnehmern ein Stück mehr Eigenverantwortung. Wie sie zustande gekommen ist, ist ein Trauerspiel.
Der Tag, an dem der Nationalrat beschlossen hat, es einfacher zu machen, zwölf Stunden an einem Tag zu arbeiten, begann mit einem schweren Foul. Und von da an ging es noch bergab.
Erst in der Nacht auf Donnerstag offenbarten ÖVP und FPÖ, dass die Arbeitszeitnovelle schon mit 1. September in Kraft treten wird – statt wie bisher angekündigt mit Jänner 2019. Das klare Motiv: die Proteste bis zum Inkrafttreten möglichst kurz zu halten.
Diese Missachtung tritt noch zu der Unart, das Gesetz im Eilverfahren durchs Parlament zu hudeln – anstatt es in einer wochenlangen Begutachtung auf handwerkliche Fehler zu durchleuchten. In einer komplexen Materie wie dem Arbeitsrecht, in der ein falscheswort den Alltag von Millionen Menschen beeinflussen kann, ist das grob fahrlässig. (Eine Praxis übrigens, der sich auch die SPÖ immer wieder zu befleißigen wusste, als sie noch selbst Teil der Regierung war.)
Noch schlechteren Stil legten wenig später Aktivisten an den Tag, die vor den privaten Büros von Salzburger ÖVP- und FPÖ- Abgeordneten Pflastersteine und Grabkerzen ablegten. Eine widerwärtige Drohgebärde gegenüber Parlamentariern, die in einer Demokratie keinen Platz haben darf. Differenzenwerden im Parlament und in der Wahlzelle ausgetragen, nicht in der privaten Sphäre der Abgeordneten. Erfreulich, dass sich sowohl ÖGB als auch SPÖ von der Aktion distanziert haben.
Das Niveau, auf dem diese Debatte geführt wird, ist umso trauriger, als der Kern der Novelle in die richtige Richtung geht: Flexibleren Arbeitnehmern und geänderten Ansprüchen an die Work-life-balance einen weiteren Rahmen zu geben, ist an sich eine gute Idee.
Wer grundsätzlich ein positives Bild von Arbeit hat, von mündigen Bürgern ausgeht, die in der Lage sind, sich untereinander zu einigen, dem wird schwerfallen, mit der Ausbeuter-und-geknechteten-rheto- rik etwas anzufangen, die die Debatte zuletzt geprägt hat.
Was die Koalition tut, ist, den Schwerpunkt auf der Arbeitsrechtsskala ein Stück weit von der kollektiven Sicherheit – Betriebsräte haben in dem neuen Arbeitszeitregimeweitweniger mitzureden – in Richtung individueller Freiheit zu verschieben. Deswegen wird am 1. September nicht derwildewesten ausbrechen – dem wird schon durch die explizite Einklagbarkeit der Freiwilligkeit der
11. und 12. Stunde ein Riegel vorgeschoben. Was bleibt, ist ein begrüßenswerter Schritt Richtung Eigenverantwortung. as soll nicht über evidente Schwächen der Reform hinwegtäuschen, nicht zuletzt der unnötigen Eile der Koalition wegen, das Thema vom Tisch zu haben – etwa den Gummiparagraphen, dass Angestellte mit „selbstständiger Entscheidungsbefugnis“völlig von Arbeitszeitregeln ausgenommen werden.
Insgesamt hätten pragmatische, unaufgeregtere Verhandlungen nicht nur der parlamentarischen Kultur genützt – sondern wohl auch ein herzeigbareres Ergebnis gezeitigt.
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