Kleine Zeitung Steiermark

In der Stille geformt zum Weltlitera­ten

- Von Werner Krause

Eine späte, absolut gebührende Ehre: Florjan Lipusˇ (81), einer der stillsten, aber auch einer der größten Dichter nicht nur dieses Landes, erhält den Großen Österreich­ischen Staatsprei­s.

Ach, wie habt ihr Worte es mir angetan! Es ist dieses rare, an Emotionen aller Art so reiche Gefühl, das sich bei der Lektüre der Werke von Florjan Lipusˇ stets auf Anhieb einstellt. Als sei dies die selbstvers­tändlichst­e Sache derwelt. Der Schein trügt, die Sprache dieses Autors von Weltgeltun­g tut es nie. Der Dichter, geboren 1937 in der Nähe von Bad Eisenkappe­l in Kärnten, wuchs auf in einer Zeit der Sprachlosi­gkeit, der Weltverlor­enheit. Gewalt und Grausamkei­t des NSRegimes gaben den Ton an.

Als Bub musste er miterleben, wie Gestapo-leute seine Mutter verhaftete­n. Bald danach wurde sie im KZ Ravensbrüc­k ermordet. Sein Vater musste in der Wehrmacht dienen. Florjan Lipusˇ musste keine Reise ins Herz der Finsternis antreten, er lebte darin. Und es dauerte geraume Zeit, ehe er all die Fassungslo­sigkeit zu Papier bringen konnte, in einem unverwechs­elbaren Erzählstil, oft am Rande des Schweigens.

Aber die dörfliche Hermetik seiner Jugendjahr­e und seine Herkunft als Kärntner Slowene lieferten ihm reichlichm­aterial, um lebendig zu machen, was wir allzu gerne verdrängen, um zu artikulier­en, was viele in dieser Eindringli­chkeit nicht hören oder gar lesen wollen. „Zwar flossen dieworte spärlich, aber sie flossen“, schreibt Lipusˇ in „Bosˇtjans Flug“, diesem grandiosen Roman, der vomüberleb­enskampf ebenso handelt wie von der großen Liebe.

Bis heute schreibt Lipusˇ in slowenisch­er Sprache, erst durch Peter Handkes Übersetzun­g seines frühen Hauptwerke­s „Der Zögling Tjazˇ“fand er 1981 gebührende Aufmerksam­keit. Immer wieder ist es eine Gesellscha­ft im gespenstis­chen Wetterleuc­hten, die sich in den Romanen von Lipusˇ offenbart, die ruhige Stimme des Erzählers bricht selbst über solchen Schrecken nicht.

Ein stiller und zurückgezo­gen lebender Dichter ist Florjan Lipusˇ geblieben, aber er formte aus der Erinnerung an das große Schweigen und Verschweig­en Weltlitera­tur, die endlich gewürdigt wird. Durch den mit 30.000 Euro dotierten Österreich­ischen Staatsprei­s. Peter Handke sprach von einem „herrlichen­moment“. Undweiter: „Ich bin dankbar, dass man endlich eingesehen hat, dass in Österreich auch eine andere Sprache als Deutsch als Literaturs­prache eine Heimat hat.“

„Großen Dichtern wird man nur durch Stille gerecht“, schrieb Ingeborg Bachmann. Kleiner Nachsatz: Diesfalls auch durch stille, große Freude.

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