Wenn Wissenschaftler Toiletten reinigen müssten
dieser besten aller Welten wird alles immer noch besser. Jetzt dürfen wir in Österreich sogar freiwillig länger arbeiten. Undwer würde das nicht wollen? Schließlich macht die Arbeit bekanntlich frei. Mag sein, dass nicht jeder Beruf so erfüllend ist wie, sagen wir, Bundeskanzler. Dass es einenunterschied macht, ob ichamfließband stehe oder hinter einem Schreibtisch gegen den Schlaf kämpfe.
Aber gut, wer nicht über die Mindeststundenanzahl hinaus zum Bruttosozialprodukt beitragen will, kann das ja seinem oder seiner Vorgesetzten freundlich mitteilen. Es ist die Frage, ob das auch freundlich aufgenommen wird, vor allem imwiederholungsfall. Wie vielzwang steckt in einer verordneten Freiwilligkeit? Das wird von Fall zu Fall verschieden sein. Nicht jeder Chef ist ein Sklaventreiber. Nicht jederwerktätige ist ein Stachanow, der alsheld der Arbeit Akkordrekorde aufstellte. Nur bedingt zur Freude seiner Kollegen. Er starb übrigens verbittert und vereinsamt als Alkoholiker.
„In einer perfektenwelt, in der alle gleich sind, werde ich immer noch am Fließband stehen“, singt Elvis Costello, dem dieses Los erspart geblieben ist. Ja, jemand muss auch die unangenehme Arbeit machen. Es sei denn, manfolgtkropotkins verblüffendem Vorschlag, die sogenannte Schmutzarbeit auf alle zu verteilen. Das hört die Elite sicher nicht gerne, die möchte weiterhin dem Putztrupp ein sicheres Einkommen zukommen lassen. Wennwissenschaftler Toiletten reinigenmüssten, griffdavid Graeber hundert Jahre später den Vorschlag auf, würden diese bald Roboter erfinden. Das wirkliche Problem der Zukunft ist nicht die Ausdehnung der Arbeitszeit, sondern durch Digitalisierung und Automatisierung der Mangel an Erwerbstätigkeit. Viele Berufe werden wegfallen. Menschen, die auf Einkünfte angewiesen sind, wird es trotzdem geben. Wir können ja nicht alle Ingenieure, Dozentinnenund Volksvertreter werden.
Ziel verantwortungsbewusster Politik sollte das „größtmögliche Glück für die größtmögliche Zahl“sein. Dieverkürzung der Arbeitszeit ist nicht von ungefähr mit einer Verlängerung der Lebenszeit einhergegangen.
Günter Eichberger lebt als freier Schriftsteller in Graz
Wie viel Zwang steckt in einer verordneten Freiwilligkeit? Das wird verschieden sein. Nicht jeder Chef ist ein Sklaventreiber.