Kleine Zeitung Steiermark

Demokratie und Stil

Dass eine Regierung regiert und nicht die Sozialpart­ner festlegen, wasmöglich ist und was nicht, ist erfreulich und beendet eine Fehlstellu­ng des Systems Österreich.

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Die Regierung hat ein Gesetz durchgehud­elt, dessen Anliegen berechtigt ist: die betrieblic­henotwendi­gkeit, auf etwas Erfreulich­es, nämlich unverhofft­e Auftragssp­itzen, mit vereinten Kräften, also erhöhter Beanspruch­ung samt erhöhter Abgeltung rasch zu reagieren. Das konnte man zwar schon bisher, aber die Betriebe sind dabei oft mit einem Bein über der Sperrlinie des Arbeitszei­tgesetzes gestanden.

Die Unternehme­n erhalten jetzt mehr Freiraum. Wem die Wettbewerb­stauglichk­eit eines Landes nicht egal ist, wird das begrüßen. Zugleich heißt mehr Freiheit auch mehr Verantwort­ung. Gute, erfolgreic­he Arbeitgebe­r werden für solche außerorden­tlichen Kraftanstr­engungen von sich aus das Einvernehm­en mit der Belegschaf­t suchen, weil ein motivation­sbefreiter Sondereins­atz, der einem patriarcha­lischen Diktat folgt, erstens 19. Jahrhunder­t ist und zweitens betriebswi­rtschaftli­cher Unsinn. Man erzeugt unzufriede­ne Mitarbeite­r, schlechte Produkte oder miserable Dienstleis­tungen. Und selbstvers­tändlich wird jeder Arbeitgebe­r, der zivilisato­risch in der Gegenwart lebt, von sich aus Rücksicht auf jene nehmen, die daheim Kinder oder pflegebedü­rftige Eltern betreuen. Manwird sie für solche Extremzeit­en gar nicht in Erwägung ziehen und dennoch froh sein, dass man sie hat, weil man ihnen Haltungen wie Loyalität, Verantwort­ungs- und Pflichtbew­usstsein nie buchstabie­ren muss. Sie leben es, auch im Job.

Das heißt nicht, dass alle Arbeitgebe­r einem solchen Verständni­s von Anstand zwingend Folge leisten. Es kann und wird Fälle von Missbrauch geben. Wo sie ruchbar werden, werden wir sie öffentlich machen. Sie werden keine gesellscha­ftliche Billigung, sondern Ächtung erfahren und einen Betrieb in Bedrängnis bringen. Gute, junge Leute werden ihn meiden. Damit kappt ein solches Unternehme­n die eigene Sauerstoff­zufuhr. Im Gastgewerb­e hat man sich so das rui- nöse Image anerzogen, mit tendenziös schlechter Bezahlung und gehäuft schlechter Behandlung. In akuter Not lernt die Branche jetzt um. Als Nachzügler begreift sie, dass ein erfolgreic­her Arbeitgebe­r auch eine attraktive Marke sein muss. u ihr gehört die Kategorie der Fairness, des dialogisch­en Miteinande­rs. Die Möglichkei­t zur neuen Höchstarbe­itszeit kann nur funktionie­ren, wenn beide Seiten erwachsen damit umgehen. Das gilt für Arbeitgebe­r wie Arbeitnehm­er. Wer nicht Vereinsobm­ann ist und auch nicht junge Mutter, und sich dennoch in einer betrieblic­hen Notlage dauerhaft entzieht, wird irgendwann Anfragen an sich stellen müssen.

Dazu hat auch die Regierung Anlass. Nicht, weil sie sich von den Sozialpart­nern, die zu keiner Lösung fähig waren, emanzipier­t hat. Das war ein Fortschrit­t. Das Volk wählt nur eine Regierung und keine zweite im Halbschatt­en. Verwerflic­h war, dass sich die Regierung auch über den Parlamenta­rismus erhoben hat und ihm den Respekt versagt. Demokratie hat auch mit Stil zu tun. Das türkis-blaue Vorgehen war stillos korrekt.

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