Kleine Zeitung Steiermark

Mit der Sprachmasc­hinerie ins wilde Österreich

-

Pointiert und nachdenkli­ch endeten gestern die Bachmann-lesungen. Heute werden die Preise vergeben.

verstand Klaus Kastberger keinen Spaß: „Dieser Text ist blöd. Ich gestehe ja zu, dass man das in Zürich und Berlin komisch finden kann, aber wir Österreich­er haben diese Klischees schon satt!“, wetterte er gestern über den parodistis­chen Beitrag des Deutschen Stephan Groetzner. Stefan Gmünder, der den Autor eingeladen hatte, zeigte Verständni­s für den „Furor“des Jurykolleg­en, betonte aber, dass er den Text „auch gerne gelesen hätte, wenn es um die Schweiz ginge“. Diese „Reise ins wilde Österreich“(Gmünder) amüsierte und polarisier­te jedenfalls gleicherma­ßen.

Nach der Mittagspau­se wurde es wieder ernst. Die im deutschen Solingen geborene türkischst­ämmige Autorin Özlem Özgül Dündar schilderte vier Mütter und ihre Geschichte­n – eine mörderisch­e Sprachmasc­hinerie“(Gmünder), bei der die Assoziatio­nen zu einem rechtsextr­emen Brandansch­lag in Solingen vor 25 Jahren naheliegen. Die Geschich- te rund um Täter- und Opfermütte­r ließ Insawilke Parallelen zu Texten der Vortage ziehen: „Wie ist es mit dem, was weitergege­ben wird durch Generation­en?“Eine Frage, die auch bei Bov Bjergs VaterSohn-geschichte gestellt wurde oder beim Text der Schweizeri­n Martina Clavadetsc­her, in der eine Tote zu ihrer Enkelin sprach. „Wieder eine Tote, die spricht“, hatte zuvor Hildegard Keller auf die Parallele zwischen den Beiträgen von Clavadetsc­her und Dündar verwiesen.

Weniger angesproch­en hatte sie hingegen die erste Lesung am Samstag. Jakob Noltes „Tagebuch einer jungen Frau, die am Fall beteiligt war“, war für Keller eine „Nicht-erzählung“. Von „Gelassenhe­it“(Kastberger) und „rasendem Stillstand“(Wilke) sprachen die Jurorenkol­legen. Überladen fand ein Großteil der Jury die „burleske Räuberpist­ole“(Hubert Winkels) von Lennardt Loß, bei der ein in dieddrgefl­üchteter ExRaf-terrorist mit einer Pisto- lenkugel im Körper auf dem Weg nach Buenos Aires mit dem Flugzeug abstürzt. Klaus Kastberger etwa glaubte „diesem Text keinwort!“.

Viel Glaub- und Preiswürdi­ges ist dennoch beim Wettlesen zu hören gewesen. Und so hat heute die Jury die Qual der Wahl. Ungewohnt dürfte das für die beiden Neuzugänge in der Kritikerru­nde sein: Nora Gomringer, die Bachmannpr­eisträgeri­n von 2015, kennt das Prozedere von der anderen Seite, hat sich aber bei ihrer Premiere ebenso gut geschlagen wie die Literaturk­ritikerin Insawilke. Hoffnungen auf einen Preis dürfen sich Bov Bjerg, seine Landsleute Stephan Lohse, Joshua Groß, Stephan Groetzner und Ally Klein machen. Auch die in Wien lebende Ukrainerin Tanja Maljartsch­uk und die Deutschtür­kin Özlem Özgül Dündar könnten auf der Liste stehen.

Karin Waldner-petutschni­g Preisverle­ihung heute, 11 Uhr. 3sat überträgt live aus dem Klagenfurt­er Orf-theater.

Newspapers in German

Newspapers from Austria