Kleine Zeitung Steiermark

Steirische Seele

- Von Veronika Höflehner

Das obersteiri­sche Öblarn ist seit Samstag wieder das größte Freilichtt­heater im Alpenraum – mit einem beeindruck­enden Reigen an Brauchtums­kunst.

Die letzten kunstvolle­n Frisuren werden geflochten, die Seidenschü­rzen gebunden, der erste Böller knallt und kündigt an: Öblarn ist für „Die Hochzeit“bereit. Seit 1989 wird das Stück von Paula Grogger alle fünf bis sechs Jahre in der kleinen obersteiri­schen Marktgemei­nde aufgeführt. Vergangene­n Samstag war es wieder so weit: Das ganze Dorf ist auf den Beinen, um das Publikum in das Jahr 1821 zu entführen. Als prächtige „Naturkulis­se“fungiert der Dorfplatz mit Kirche, Herrschaft­samt und Wirt, den der Hochzeitsl­ader mit dem Glockensch­lag um Punkt 6 Uhr betritt: „I bin der Biddelmann von Gstatt, der euch zum Ehrentag einladt, wia seinerzeit die Bluatsvorf­ahren.“

Die Verbundenh­eit der Ennstaler mit ihrer Geschichte spürt man während des ganzen Stückes. Viele der 300 Darsteller schlüpfen imspiel rund um den historisch belegten Besuch von Erzherzog Johann (staatstrag­end gespielt von Gabriel Moosbrugge­r) im Ort in die Rollen ihrer Vorfahren. So füllt sich der Kirchplatz mit den Dorfleuten, die sich über die Gerüchte unterhalte­n, denn der „steirische Prinz“wird als Brautführe­r an einer Hochzeit teilnehmen. Nicht ganz uneigennüt­zig, befindet sich unter denhochzei­tsgästen doch auch seine Angebetete und spätere Frau Anna Plochl (Marlene Eberhardt). Das Schauspiel nimmt seinen Lauf und gipfelt im heiß ersehnten Treffen der Liebenden und dem abschließe­nden Fackelzug.

Was im Laufe des Stückes augenschei­nlich wird: Das größte Freilichtt­heater im Alpenraum ist ein Lehrstück der steirische­n Tradition, eine lebendig gewordene Brauchtums­enzyklopäd­ie. Von der Kapelle über die Bradlmusi, vom Bändertanz über den Erzherzog-johannJodl­er bis hin zum Turmblasen wird dem staunenden Publikum alles geboten. kribisch wurde auch an der Ausstattun­g gearbeitet, viele Darsteller tragen über 100 Jahre alte Originaltr­achten. Neben wunderschö­nen Seidenklei­dern und den goldenen „Drahtl“-hauben der Frauen gehören die „Ranzen“– die breiten Schmuckgür­tel mit feinster Federkiels­tickerei – zu den wertvollst­en Stücken des über 2000 Stücke fassenden Öblarner Kostümfund­us.

Zum Leben erweckt wird Brauchtum wie Tracht aber von den Einheimisc­hen selbst, allesamt Laiendarst­eller mit Begeisteru­ng. Wie in Groggers Stück bilden sie einen Querschnit­t der Bevölkerun­g; Bürgermeis­ter Franz Zach ist als Zweiter Jäger mit dabei, Musiklehre­r Walter Greimeiste­r mimt den gestrengen Schulmeist­er. Auch die jüngste Einwohneri­n Emma – Enkelin des Bürgermeis­ters und

Agerade einmal ein Monat alt – hat einen kurzen Auftritt.

„Wir wollen das Publikum in den wunderschö­nen barocken Bilderboge­n entführen, den Paula Grogger gespannt hat“, führt der junge Spielleite­r Bernhard Wohlfahrte­r (21) aus. „Das Stück an sich ist sehr zeitlos, es geht um Dinge, die die Menschen immer berührt haben: Der Generation­enkonflikt, die Liebe oder die Spannung zwischen Arm und Reich.“„Die Hochzeit“ist aber auch eine Liebeserkl­ärung der Öblarner Dichterin an die (ober-)steirische Seele und das in unverfälsc­hter Dialektspr­ache. Demgemäß hat Grogger testamenta­risch festgelegt, dass am Text nicht gekürzt wird. as resultiert für Schauspiel­er wie Zuschauer in mehr als drei Stunden Spieldauer, für die man aber nicht erst amende reich belohnt wird: Der Nachtwächt­er (wunderschö­n intoniert von Johannes Schweiger) löscht singend mit den Worten „Das Spiel is vorbei wia die alte Zeit, der Hammer hat die Stund geschlagn“das Licht. Und die Glocke im Turm ertönt zum letzten Mal.

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