Kleine Zeitung Steiermark

Schonungsl­oses Kino aus der Kälte

- Von Martin Gasser

Tiefer als Ingmar Berman hat kein Filmregiss­eur in der Seele gewühlt. Eine Hommage zu seinem 100. Geburtstag.

Gegen Ende von Ingmar Bergmans letztem Kinofilm, „Fanny und Alexander“, kommt es zu einer Schlüssels­zene. Dem Buben Alexander erscheint sein verstorben­er Stiefvater. Der emotional ausgetrock­nete Bischof Vergérus, unter dessen Regiment Alexander, seine Schwester Fanny und Mutter Emilie fast zugrunde gegangen wären, kehrt als Gespenst zurück, schlägt den Buben und droht: „Mich wirst du im Leben nicht mehr los.“Die unheimlich­e Begegnung mit dem Quälgeist steht beispielha­ft für Bergmans Weltsicht. Dieunterdr­ückung, der das unschuldig­e Kind ausgesetzt war, gräbt sich tief in die Seele. Der am 14. Juli im schwedisch­en Uppsala geborene Bergman hat häufigauto­biografisc­hes verarbeite­t, in „Fanny und Alexander“auch seine als Unglück wahrgenomm­ene Kindheit.

Verlorene Seelen in einer sinnlosen, oft surreal feindliche­n Welt, Menschen auf der verzweifel­ten Suche nach Gott, in Konfrontat­ion mit dem Tod. Menschen, die daran scheitern, ihre Einsamkeit zu überwinden. Bergmans Filme sind düster, kalt, stellen große Fragen auf eine unbequeme Weise. Aber sie sind nicht deprimiere­nd, wie Woody Allen, einer der größten Bewunderer des Regisseurs, sagte: „Es ist ein Glück, diese Filme zu sehen, weil sie einfach große Kunst sind. Sie sind hypnotisch.“Allen hat Bergman persiflier­t und imitiert, ein Film wie „Der Stadtneuro­tiker“ist ohne den Einfluss des großen Kollegen aus Schweden nicht denkbar.

Bergmans Kino kommt vom Theater, einem Bereich, dem er parallel zum Film immer treu blieb. Aber mit seinen Kameramänn­ern Gunnar Fischer und Sven Nykvist fand er zu einer beeindruck­enden filmischen Sprache, geprägt von kontrastre­ichem Schwarz-weiß, Nahaufnahm­en und poetischer Lichtdrama­turgie. Immer wieder arbeitete der menschlich schwierige Regisseur mit denselben Schauspiel­ern: Liv Ullmann, Max von Sydow, Harriet Andersson, Erland Josephson, Bibi Andersson, Ingrid Thulin. Er kreierte große Rollen für Frauen und hatte doch immer ein problemati­sches Verhältnis zum anderen Geschlecht. Fünf Mal war er verheirate­t.

Der Filmemache­r thematisie­rte offen Sexualität in prüden Zeiten. Für „Das Schweigen“wurde er als Pornograf be-

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Seelenscha­u mit der Kamera: der

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