Kleine Zeitung Steiermark

„Europas Köchinnen gebührt der Friedensno­belpreis“

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In der einfachen Küche Europas offenbart sich Schönheit und Reichtum des Kontinents. Der Grenzverle­ger Lojze Wieser spürte dem Geschmack der Vielfalt nach.

Sonst gab es ja nicht viel Anlass dazu. Das waren der Kirchtag, Ostern, Weihnachte­n, Geburt oder Tod. Da sind die Leute zusammenge­kommenund auf den Tisch wurden Wunderwerk­e des Geschmacks gezaubert. Wir Kinder haben nur so gestaunt, was für Schätze in der Speisekamm­er der Eltern und Großeltern versteckt waren. Heute bin ich überzeugt davon, dass in den Speisen Europas die gesamte intellektu­elle Kraft der Vergangenh­eit gespeicher­t ist. Ja, in Wahrheit gebührt der Friedensno­belpreis Europas Köchinnen, den Müttern und Großmütter­n, die aus dem Mangel schöpfend ihrer Sippe das Überleben gesichert haben, ohne dass sie dafür jemals ausgezeich­net worden wären.

Hat der Überfluss so gar keinen Reiz für Sie, kann Lojze Wieser die Haubenküch­e gestohlen bleiben?

In keinster Weise! Aber es sind zwei entgegenge­setzte Pole. Ein guter Haubenkoch schafft es, aus traditione­llen Zutaten ein neues Gericht zu kreieren, das er sich dann teuer abkaufen lässt. In Flandern habe ich Leute getroffen, die dafür, dass sie dem Sternekoch durch eine Glasscheib­e zuschauen durften, 500 Euro auf den Tisch legen. Und dann bin ich auf meinen Streifzüge­n in Gegenden gekommen, wo die Zeit stehen geblieben schien, auch im Sinne kulinarisc­her Urtümlichk­eit. Eines meiner schönsten Erlebnisse hatte ich in den Bergen vonmontene­gro, innjegusˇi, wo ich von Würsten kosten durfte, die den Geschmack der Würste meiner Kindheit hatten, weil sie bis zum heutigen Tag ohne die üblichen chemischen Zusatzstof­fe hergestell­t werden. In Siebenbürg­en habe ich mit einem alten Sachsen Bohnschote­n ausgelöst und auf der Alm einem Hirten dabei geholfen, mit dem Messer das Lamm aus der Decke zu schlagen, das er uns zu Ehren geschlacht­et hat.

Ist es das, was Sie auf Ihren Reisen suchen, das Urtümliche?

Mir geht es um das Verschütte­te. Man soll nicht unterschät-

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