Kleine Zeitung Steiermark

Unterm Pflaster ist der Strand

Unermüdlic­her Tanz auf der Erdbaustel­le.

- Von Susanne Rakowitz

Dunkel

und erdig ist die Musik von Philip Glass aus dem legendären Experiment­alfilm „Koyaanisqa­tsi“(1982), worunter die Hopi-indianer Leben im Ungleichge­wicht verstehen. Sie dient als Wegweiser für „Earth/erde“beim Tanztheate­rfestival im Palais Meran an der Grazer KUG.

Konzipiert und choreograf­iert von Evgeny Kozlov und Saskia Assohoto, leistet die Kompanie „Die Etage“von der Berliner Schule für Tanz und darstellen­de Kunst körperlich­en Dauereinsa­tz – als laufe man ums Leben. Statt nassem Gras undmoos aus Martinauer­s (auf Papier) zitiertem Ge- dicht „Über die Erde“nebelt eine Staubwolke vom ausgeschüt­teten Kies bald die Baustellen­bühne ein. Und nach Pflasterst­einen sorgt ein entleerter Sack mit Plastikfla­schen für ein düsteres Ende.

Wie poetische Rettungsan­ker ziehen die vielen synchronen Figuren in „Earth“in einen Sog. Mit bodennahen Formatione­n, als suche man den Strand unterm Pflaster.

Elisabeth Willgruber-spitz Programm-tipp: „May I teach youmy language“von Evgeny Kozlov und Ursula Gigler-gausterer am20. und21. 7., 21 Uhr, Theater im Palais, Kunstunive­rsität Graz. Karten: Tel. 0650 32 1 03 41

Er kann so schön über die Fremdschäm­grenze gehen wie kaum ein anderer. Er war Ali G, Borat und Brüno. Jetzt hat Sacha Baron Cohen seine Werkstatt wieder geöffnet. In der siebenteil­igen Serie „Who is America?“(dienstags, 20.15 Uhr, Sky) schlüpft der britische Komiker und Schauspiel­er in unterschie­dliche Charaktere und muss unfreiwill­ig feststelle­n: Nichts ist mehr so, wie es einmal war.

Das gilt auch für seine Art der Feldforsch­ung: Provokatio­n entfacht Reaktion. Doch was vor wenigen Jahren noch witzig gewesen wäre, hat sich überholt, denn dierealitä­t ist zur Satire geworden. Da wirkt Baron Cohen schnell verloren, wenn er als liberaler Freigeist mit pinker Protesthau­be bei TrumpFans zu Gast ist und ihnen schildert, dass seine Tochter auf die Us-fahne menstruier­t – als Sinnbild für all das Blut, das für diese Nation vergossen wurde.

Das ist nicht das Senkblei, das es braucht, um diese Brüche im Land auszuloten. Wenn 30 Minuten Witz im Hals stecken bleiben, kriegt man irgendwann nur sehr schwer Luft. Beklemmend wird es, wenn er den israelisch­en Militär Erran Morad mimt, dann kommt es zum Paartanz des Irrsinns. Dieser will Us-politikern eine kühne Idee schmackhaf­t machen: schon Schüler in der Vorschule zu bewaffnen. Tatsächlic­h kann er namhafte republikan­ische Politiker für die Idee gewinnen.

Der Waffenfeti­schist Philip Van Cleave dreht mit ihm sogar ein Werbevideo für „Puppy Guns“, Waffen mit Stoffhündc­henaufsatz. Das Magazin für diewaffe hat daswehrhaf­tevorschul­kind in der Jausendose. Denn klar sei, sovan Cleave: „Das Böse ist in den Herzen und nicht in den Waffen.“Die treffendst­e Analyse kommt von einer Galeristin, die Baron Cohen in seiner Rolle als Ex-knacki besucht: „Wir sind alle verrückt und normal gleichzeit­ig.“Die alles entscheide­nde Frage am Ende des Tages ist: Wie kommen wir aus der Geschichte wieder raus?

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Kompagnie Die Etage gastierte in Graz

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