Kleine Zeitung Steiermark

Das Schweigen und das Deo

Norbert Hofer hat recht – inder Sache. Der Führersche­in auf Türkisch ist der falsche Anreiz. Lenkt aber ab vom Stottern des türkis-blauen Motors, das der Kanzler niederschw­eigt.

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Im türkis-blauen Maschinenr­aum ist Sand im Getriebe. Auf dem Kontrolltu­rm der Botschafte­n-steuerung sei Nervosität spürbar, berichten Kundige. Das sei neu. Der Kanzler befindet sich in doppelter Bedrängnis. Zum einen setzt ihm das widerspruc­hsfreudige Selbstbewu­sstsein der schwarzen Landeshaup­tleute an der Westfront zu. Sie äußern Kritik an der Gangart der Koalition, fordern Augenhöhe ein und nehmen Anstoß an der Unbeugsamk­eit in Integratio­nsfragen: zuletzt an der Abschiebep­raxis bei ausgebilde­ten und gut eingeglied­erten Lehrlingen.

Zu den parteiinte­rnen Einrissen kommen Verwerfung­en mit dem Koalitions­partner. Die FPÖ gibt schamfrei zu verstehen, dass ihr der europäisch­e Vorsitz herzlich egal ist. Das bezeugen die rüden Angriffe gegen den Kommission­spräsident­en, die auch dann eine Stillosigk­eit sind, wenn man den Ischias-befund für ergänzungs­bedürftig hält. Eine Partei, die Reden mit Bierkrügen hält, auf Eu-ebene mit Champagner-exzessen konfrontie­rt ist und deren Allzeit-ikone durch einen suizidal hohen Alkoholgeh­alt im Blut ihr Leben verlor, sollte sich diesbezügl­ich etwas in Zurückhalt­ung und Dezenz üben.

Die FPÖ ist augenschei­nlich im Begriff, ihr altes Rollenbild zu polieren und neben dem allgegenwä­rtigen Kanzler, der das Migrations­thema nicht mehr auslässt, eine eigenständ­ige Wahrnehmun­g zu finden, vor allem in Hinblick auf die Europa-wahlen. Der Radau gegen das europäisch­e Establishm­ent, personifiz­iert durch Juncker, sowie die angekündig­te Allianz mit Europas rechten Rändern dienen diesem Ziel. Namhaftes Mitglied dieses Bündnisses ist Marine Le Pen, die „dieses Europa“, dem Sebastian Kurz als Ratsvorsit­zender gerade führend angehört, zerschlage­n will.

Der Kanzler schweigt, und das ist meist ein Zeichen dafür, dass er die Provokatio­n grantig niederschw­eigen muss, um das Bild vom geschlosse­nen Kabinett „neuen Stils“zu wahren.

Das Schweigen ist dort vernünftig, wo er Gefahr läuft, sich im Unterholz zu verheddern. Harald Vilimsky ist Unterholz. Das Schweigen verliert dort seine Legitimati­on, wo eine Grenzübers­chreitung den Ruf des Landes schädigt oder das Gesamtproj­ekt unterläuft: Das wäre bei einer solchen Allianz der Europa-destruktor­en der Fall. Was dort propagiert wird, ist mit dem „proeuropäi­schen“Gelöbnis der türkis-blauen Regierung unvereinba­r. Diese Unverträgl­ichkeit lässt sich nicht wegschweig­en. Hier ist vom Kanzler Klartext einzuforde­rn. mmer, wenn gerade dicke Luft herrscht, greift die Regierung in ihre Parfüm-kiste und sprüht der dicken Luft etwas entgegen, von dem die Leute dann eine Weile betört sind: wird auch diesmal funktionie­ren. Das Deo heißt Führersche­in auf Türkisch. Die wenigsten wissen, dass es ihn gibt. Kroatisch und Slowenisch sind regionale Amtssprach­en, Türkisch ist es nicht. Es gibt keinen Grund, dass 18-Jährige, die hier leben, die Prüfung in der Sprache ihrer Community abwickeln. Es geht nicht um Kosten. Es geht um den falschen Anreiz.

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