Ich schau nur
habe diese Woche neu gehen gelernt. Ja, stimmt, das klingt total peinlich, weil gar so dramatisch, aber nach fast vier Wochen Grippe steigt man eherwackelig ausdembett. Ich fühlte mich wie jemand, der nach einem Schiffbruch endlich strandet. Ich ging wie jemand, der gerade eine Woche nonstop durch den Wilden Westen galoppiert ist, und zwar auf einem Sack Kartoffeln sitzend, den man einem Grizzly auf den Rücken gebunden hat, der sich in den Rücken eines Bisons krallt.
Meine Schwester, die mich auf meinem ersten Spaziergang begleitete, sagte danach, sie habe sich an die Streifzüge mit ihren Kindern erinnert, als diese noch ganz klein waren und amwegesrand jede Blume angreifen und jeden Stein umdrehen mussten: „Ungefähr so war dein Gehtempo.“
Mittlerweile bin ich wieder schneller, obwohl: Langsam ist eigentlich viel, viel besser. Oder vielleicht ist es das Ziellose des Schlenderns, das mir gerade gut gefällt. Man geht ja sonst immer irgendwohin, man hat was zu erledigen. Das Schlendern dagegen d dient keinem höheren Zweck, außer vielleicht jenem, den Reifegrad der Zwetschken in den Nachbargärten zu vergleichen sowie irgendwann wieder zu Hause anzukommen und sich eine Tasse Kaffee nachzuschenken. Es wird also geschlendert, auch wenn die Nachbarn glauben, ich habe es auf ihre Zwetschken abgesehen. Ich schau aber nur. UB