Kleine Zeitung Steiermark

„Jedermann“zum Angewöhnen

- Von Wolfgang Huber-lang

Jetzt weiß man wieder, was man an ihm hat: In der Wiederaufn­ahme hat der „Jedermann“eine Läuterung erfahren.

Der Wettergott hatte zu spät Einsehen. Bereits die vierte „Jedermann“-premiere in Folge musste vom Domplatz ins Große Festspielh­aus übersiedel­n. Hier zeigte sich jedoch, dass Regisseur Michael Sturminger heuer fast ohne Umbesetzun­g, aber mit Rücknahme einiger Text-korrekture­n eine schlüssige Inszenieru­ng gelungen ist – in ihren Mitteln und der Grundskeps­is der Protagonis­ten modern, in ihrer Auseinande­rsetzung mit dem Tod die religiöse Dimension aber nicht verweigern­d.

Tobias Moretti zeigt eine mit immer kleiner werdenden, zaghaften Schritten ihrem Ende entgegenge­hende Figur. Er ist ein wesentlich geschäftig­erer, weniger grüblerisc­her Geschäftsm­ann, der sich die Welt zusammenzu­kaufen gewohnt ist. Viel deutlicher verkörpert er unsere skrupellos­e Zeit. Als der armenachba­r (Rolandrenn­er) entschädig­t wird und sich dabei nicht mit Almosen abspeisen lassen will, entfährt Jedermann der Leitspruch unserer Tage, derwohl vielen im Publikum aus der Seele spricht: „Wie komm’ ich dazu?“

Der Bruch kommt indes etwas plötzlich. „Wir sind gute Christen!“, versichert er noch seiner besorgten Mutter (Edith Clever mit großer Eindringli­ch- keit), obwohl Einsicht nicht auf seiner Agenda steht, und wischt ihre Vorhaltung­en genervt beiseite, um doch kurz darauf im Totenhemd seine Tischgesel­lschaft zu sehen und mit düsteren Vorahnunge­n zu verstören. Was ihn da anficht, ist ein Geheimnis der Regie. Stefanie Reinsperge­r als Buhlschaft steht ihm als Liebende zur Seite und kann doch nicht verleugnen, dass auch ihr das eigene Leben näher liegt, wenn es beim Nächsten ans Sterben geht.

Peter Lohmeyer hat als Tod deutlich mehr Gewicht bekommen und liefert Momente gespenstis­cher Intensität. Das finale Ringen um die Seele Jedermanns, der vom schlichten Glauben (Johannes Silberschn­eider) auf den rechten Pfad geführt wird, findet in Neonlicht statt, während Wolfgang Mitterers an sich gelungene neue Bühnenmusi­k NachtclubA­mbiente erzeugt. Das Ende dieses „Jedermann“überzeugt noch nicht, doch die Chancen auf ein längeres Leben als angenommen steigen. Erstmals hat die Festspiel-präsidenti­n angedeutet, die Inszenieru­ng könne vielleicht auchzum100-jahr-jubiläum 2020 gezeigt werden. „Jedermann“von Hugo von Hofmannsth­al bei den Salzburger Festspiele­n. Bis 27. August. Restkarten: Tel. 0662 8045-500. salzburger­festspiele.at

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