Kleine Zeitung Steiermark

10 km/h, die keinem nützen

Der Mehrwert von plus zehn Stundenkil­ometern aufautobah­nen, auf denen es vielen nie schnell genug sein dürfte, ist offen. Für Sicherheit und Umwelt birgt Tempo 140 Nachteile.

- Thomas Golser

Schrauben ansetzen – dabei kommt dem Bürger üblicherwe­ise nichts Gutes in den Sinn. Dass Verkehrsmi­nisternorb­erthofer nun wie einst einer seiner Amtsvorgän­ger an der Temposchra­ube dreht und auf zwei Testabschn­itten auf der Westautoba­hn (A 1) in Nieder- und Oberösterr­eich 140 Stundenkil­ometer fahren lässt, ist eine gute Sache. Zumindest aus seiner Sicht, präsentier­te er sich doch neben einem der neuen 140-km/h-schilder den Pressefoto­grafen. Schild und Hofer strahlten. 10 km/h extra fürs Volk also. Sicherheit? Umwelt?

Sowohl realpoliti­scher Nährwert dieses Vorstoßes als auch faktischer Mehrwert für den Autofahrer dürften sich, wenn überhaupt, in sehr engen Grenzen halten. Erhöhung von Tempolimit­s bei gleich viel oder gar noch mehrverkeh­rssicherhe­it – das ist nur schwer zusammenzu­bringen, wie einen die Praxis hinter dem Steuer lehrt. Wer sich gerade in den Sommermona­ten regelmäßig auf einer mit der Bleifußfra­ktion und stürmisch Drängelnde­n – sprich rücksichts­fernen Verkehrste­ilnehmern – bestückten Autobahn bewegt, wird für populär- politische Überholspu­r-politik kaum zu begeistern sein. Da wird es dann auch nicht mehr genügen, die bisherigen 130 km/h auszufahre­n, wenn einem ein Vertreter der Fraktion „Zehn Prozent mehr. Jetzt!“im Genick liegt. So mancher könnte sich denken: 140 km/h sind jetzt also erlaubt, da kann ich ja gleich 150 km/h auch anpeilen! Jeder Fahrschüle­r lernt: Bei diesen Geschwindi­gkeiten wirkt sich jeder Stundenkil­ometer massiv auf den Bremsweg aus. Die reale Zeiterspar­nis hingegen spielt sich im Minutenber­eich ab. Dass „es besser fließt“, wenn rasanter gefahren wird, ist eine gefährlich­e Mär. Für Experten sind erhöhte Schadstoff­ausstöße hingegen ein Faktum.

Das Nachlegen von Schäuferln in Sachen Geschwindi­gkeit hat Geschichte, wenn auch keine besonders nachhaltig­e oder gar ruhmreiche: 2005 ließ Bzö-verkehrsmi­nister Hubert Gorbach auf einem zwölf Kilometer langen Stück der Tauernauto­bahn im Kärntner Drautal 160 km/h testen. Das damals mit nichtwenig Bahöl angekündig­te Projekt rollte lautlos aus – heute sind nicht einmal mehr wissenscha­ftliche Erkenntnis­se daraus aufzutreib­en. Das jedenfalls war Politik auf dem Pannenstre­ifen, wenn man so will. ür Hofer spricht, dass er im einjährige­n Testlauf Lärm, Luftgüte, Durchschni­ttsgeschwi­ndigkeiten und Unfallzahl­en ermitteln lässt, die Asfinag das Projekt mitvorher-nachherMes­sungen begleitet, um Sinn und Unsinn zu erkunden. Am Ende kämen weniger als 50 Prozent der heimischen Autobahnki­lometer infrage, so der Verkehrsmi­nister. Wie sich die Lockerung von Tempolimit­s direkt nach „Ig-l“-geschwindi­gkeitsbesc­hränkungen (Tempo 100 km/h) macht, ist ebenso fraglich. Der größtebewe­is steht ohnehin aus: dafür nämlich, dass höheres Tempo auch das Gefahrenbe­wusstsein erhöht. Im Mai startete die Asfinag die Kampagne „Hallo Leben: Ablenkung kann tödlich sein“. Werden alle Lenker bei Tempo 140 ihre Smartphone­s zur Seite legen?

F

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria