10 km/h, die keinem nützen
Der Mehrwert von plus zehn Stundenkilometern aufautobahnen, auf denen es vielen nie schnell genug sein dürfte, ist offen. Für Sicherheit und Umwelt birgt Tempo 140 Nachteile.
Schrauben ansetzen – dabei kommt dem Bürger üblicherweise nichts Gutes in den Sinn. Dass Verkehrsministernorberthofer nun wie einst einer seiner Amtsvorgänger an der Temposchraube dreht und auf zwei Testabschnitten auf der Westautobahn (A 1) in Nieder- und Oberösterreich 140 Stundenkilometer fahren lässt, ist eine gute Sache. Zumindest aus seiner Sicht, präsentierte er sich doch neben einem der neuen 140-km/h-schilder den Pressefotografen. Schild und Hofer strahlten. 10 km/h extra fürs Volk also. Sicherheit? Umwelt?
Sowohl realpolitischer Nährwert dieses Vorstoßes als auch faktischer Mehrwert für den Autofahrer dürften sich, wenn überhaupt, in sehr engen Grenzen halten. Erhöhung von Tempolimits bei gleich viel oder gar noch mehrverkehrssicherheit – das ist nur schwer zusammenzubringen, wie einen die Praxis hinter dem Steuer lehrt. Wer sich gerade in den Sommermonaten regelmäßig auf einer mit der Bleifußfraktion und stürmisch Drängelnden – sprich rücksichtsfernen Verkehrsteilnehmern – bestückten Autobahn bewegt, wird für populär- politische Überholspur-politik kaum zu begeistern sein. Da wird es dann auch nicht mehr genügen, die bisherigen 130 km/h auszufahren, wenn einem ein Vertreter der Fraktion „Zehn Prozent mehr. Jetzt!“im Genick liegt. So mancher könnte sich denken: 140 km/h sind jetzt also erlaubt, da kann ich ja gleich 150 km/h auch anpeilen! Jeder Fahrschüler lernt: Bei diesen Geschwindigkeiten wirkt sich jeder Stundenkilometer massiv auf den Bremsweg aus. Die reale Zeitersparnis hingegen spielt sich im Minutenbereich ab. Dass „es besser fließt“, wenn rasanter gefahren wird, ist eine gefährliche Mär. Für Experten sind erhöhte Schadstoffausstöße hingegen ein Faktum.
Das Nachlegen von Schäuferln in Sachen Geschwindigkeit hat Geschichte, wenn auch keine besonders nachhaltige oder gar ruhmreiche: 2005 ließ Bzö-verkehrsminister Hubert Gorbach auf einem zwölf Kilometer langen Stück der Tauernautobahn im Kärntner Drautal 160 km/h testen. Das damals mit nichtwenig Bahöl angekündigte Projekt rollte lautlos aus – heute sind nicht einmal mehr wissenschaftliche Erkenntnisse daraus aufzutreiben. Das jedenfalls war Politik auf dem Pannenstreifen, wenn man so will. ür Hofer spricht, dass er im einjährigen Testlauf Lärm, Luftgüte, Durchschnittsgeschwindigkeiten und Unfallzahlen ermitteln lässt, die Asfinag das Projekt mitvorher-nachherMessungen begleitet, um Sinn und Unsinn zu erkunden. Am Ende kämen weniger als 50 Prozent der heimischen Autobahnkilometer infrage, so der Verkehrsminister. Wie sich die Lockerung von Tempolimits direkt nach „Ig-l“-geschwindigkeitsbeschränkungen (Tempo 100 km/h) macht, ist ebenso fraglich. Der größtebeweis steht ohnehin aus: dafür nämlich, dass höheres Tempo auch das Gefahrenbewusstsein erhöht. Im Mai startete die Asfinag die Kampagne „Hallo Leben: Ablenkung kann tödlich sein“. Werden alle Lenker bei Tempo 140 ihre Smartphones zur Seite legen?
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