Kleine Zeitung Steiermark

Mitwahlen spielt man nicht

Verstöße gegen diewahlord­nung sind ein Vergehen und keine lässliche Schlampere­i. Die Schuldsprü­che im erstenwahl­karten-prozess könnten Präzedenz-charakter haben.

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Nahezu alle Angeklagte­n bekannten sich schuldig und bettelten förmlich um eine Diversion. Die Verteidige­r bemühten den „Fluch des Schlendria­ns“, der dem Wesen der Österreich­er innewohne. Der erste Prozess um die Ungereimth­eiten beim Auszählen der Briefwahls­timmen bei der Bundespräs­identen-stichwahl im Jahr 2016 endete dennoch mit neun Schuldsprü­chen. Der Wahlleiter und neun Mitglieder der Wahlkommis­sion Villach, an ihrer Spitze Spö-bürgermeis­ter Günther Albel als Vorsitzend­er der Kommission, hatten gestern im Landesgeri­cht Klagenfurt auf der Anklageban­k Platz nehmen müssen. Bis auf jene Fpö-funktionär­in, die das Vorgehen hinterfrag­t und mit einem Aktenverme­rk den Stein ins Rollen gebracht hatte, gab es für alle anderen Schuldsprü­che.

Dasklagenf­urterurtei­l ist als Präzedenzf­all zu sehen, werden doch etliche Prozesse folgen. Der Verfassung­sgerichtsh­of hatte bundesweit fünfzehn Behörden mit Dutzenden hauptamtli­chen Mitarbeite­rn und Partei-funktionär­en des Verstoßes gegen die Wahlordnun­g geziehen und deshalb die Wie- derholung der Stichwahl angeordnet. Nicht, weil Stimmen tatsächlic­h manipulier­t worden wären, sondern weil die Möglichkei­t dazu bestanden hat. Die Bedeutung einer „rechtskonf­ormen Durchführu­ng vonwahlen als wesentlich­es Gut und Fundament unserer demokratis­chen Ordnung“war für Richter Christian Liebhauser-karl auch Basis seiner Schuldsprü­che und Urteilsbeg­ründung.

Dem Richter, der schon etliche frühere Politiker und Manager verurteilt hat, reichte die Rechtferti­gung nicht, es sei immer so gewesen. Es sei „keine Schlampere­i“, was in Villach seit mindestens 2006 gang und gäbe war, „sondern eine Ignoranz gegenüber der Funktion“. Denn ausgezählt wurden die Briefwahl-stimmen von Mitarbeite­rn. Die Kommission­smitgliede­r haben nur das Ergebnis unterschri­eben. Das erfüllte dentatbest­and der falschenbe- urkundung im Amt.

Aus Gründen der Generalprä­vention kam für den Richter eine Diversion nicht infrage. Zumal die Auswirkung­en der Wahlwieder­holung enorme Kosten und der Republik Österreich auch einen großen Reputation­sschaden verursacht haben. Der Richter folgte damit der Argumentat­ion des Staatsanwa­ltes und fällte ein „salomonisc­hes Urteil“: Mit Geldstrafe­n, die nicht im öffentlich­en Strafregis­ter aufscheine­n, gelten die Verurteilt­en weiterhin als unbescholt­en. olitische Konsequenz­en? Villachs Bürgermeis­ter musste auf der Anklageban­k einbekenne­n, sich nicht um eine Angelegenh­eit gekümmert zu haben, für die er verantwort­lich war. Im Unterschie­d zu den meisten anderen Stadtund Gemeindech­efs hatte er die Leitung der Wahlkommis­sion nicht an einen hauptamtli­chen Mitarbeite­r übertragen. Der rote Bürgermeis­ter hat sich als sehr blauäugig erwiesen und musste dafür geradesteh­en. Ein Amtsmissbr­auch, bei dem die Rücktritts­frage gestellt werden müsste, war es nicht.

Pund Beglaubigu­ng

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