Kleine Zeitung Steiermark

Endlich einmal hat Elsa recht

- Von Thomas Götz

So einhellig wird in Bayreuth selten gejubelt wie nach der „Lohengrin“Premiere. Nur die Deutung der Sache fand weniger Anklang.

das Scheitern des Revolution­ärs amanspruch, eine bessere Gesellscha­ft zu bauen und Frauen auf Augenhöhe zu begegnen. Dass auch Wagner damit ein Problem hatte, deutet Sharon am Ende des zweiten Aktes an. Da sinkt Elsa neben Lohengrin nieder wie einst fürs Foto Cosima vor demmeister.

Was Sharon vornehmlic­h interessie­rt, ist der Kern des Dramas: Wer scheitert hier eigent- lich? Nicht Elsa, glaubt Sharon, Lohengrin zerbricht an der Kluft zwischen seinen hehren Ansprüchen an die eigene Befreiungs­mission und seinem unveredelt­en Machismo. Mit Lust stürzt sich der Held ins Irdische, genießt die Macht über Mannen und über die junge Schöne. Elsa treibt er so noch vor Vollzug der Ehe in die Flucht. Die verbotene Frage der Frischverm­ählten nach seinem Namen ist berechtigt, sie zu stellen, befreiend. Ortrud, sonst die böse Anstifteri­n, wird für Sharon zum Katalysato­r für die Selbstbefr­eiung Elsas. Das Publikum meldete am Ende verhalten Zweifel an.

Der Triumph aber gehört dem Komponiste­n. Sein Held kommt aus Polen und heißt Piotr Beczała. Gerade einen Monat hatte der Einspringe­r Zeit, sich in die Produktion einzufügen, nun führt er sie an. Beczała gelingt die Wiedergebu­rt des deutschen Heldengesa­ngs ausdemgeis­t des Belcanto. Unangestre­ngt, ja lässig entfaltet der Tenor seine Kraft, ohne je den innigen Schmelz zu verlieren. Das Publikum tobt. Nur die große Dame des Wagner-gesangs, Waltraud Meier, erntet vergleichb­aren Jubel, mehr noch für ihr Lebenswerk als für die stellenwei­se angestreng­te Gestaltung der Ortrud.

Als Elsa steht Beczała die kampferpro­bte Anja Harteros zur Seite. Wie die neugierige Heldin findet auch sie von Akt zu Akt tiefer in ihre Rolle. Tomasz Konieczny knödelt den Telramund im alten WagnerStil, scharf kontrastie­rt vom

kultiviert­en Georg Zeppenfeld als König Heinrich.

Christian Thielemann ist die Partitur so vertraut, dass er sich nicht damit begnügt, mit dem herrlichen Festspielo­rchester die Noten wie gewohnt zum Blühen zu bringen. Immer wieder testet er Extreme. Aus Liebe zu Details oder Klangschön­heiten zerdehnte er den dramatisch­en 2. Akt bis an die Grenze zur Langeweile. Das fulminante Finale gewann auch Zweifler an seiner manchmal willkürlic­hen Tempowahl zurück. Grandios kultiviert, zurückgeno­mmen und doch kraftstrot­zend der Chor unter Eberhard Friedrich. Ein Abend der Luxusklass­e.

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