Kleine Zeitung Steiermark

Wahlfreihe­it ist eine Illusion

Frauen müssen sich noch immer zwischen Kindern und Karriere entscheide­n. Dass „ihre“Ministerin­nunbei der Kinderbetr­euung sparen will, ist ein Schritt in die falsche Richtung.

- Christina Traar

Der ideale Arbeitnehm­er aus Sicht der Regierung ist schnell beschriebe­n. Flexibel und mobil soll er sein, bis zu zwölf Stunden soll er zu Spitzenzei­ten arbeiten. Doch eine Gruppe kann bei diesem Bestreben nicht mit: Mütter. Denn von einer 12-Stunden-betreuung für ihre Kinder können die meisten nur träumen. Die Ankündigun­g von ÖVP-FRAUenmini­sterin Juliane BognerStra­uß, bei ebendieser Betreuung den Sparstift ansetzen zu wollen, lässt Länder und Betroffene aufschreie­n.

Denn die Betreuungs­situation im Land lässt bereits jetzt zu wünschen übrig. Von 9297 Kindertage­sheimen halten nur 965 ihre Türen 12 Stunden und länger offen. Dass sich diese Problemati­k am Land noch verschärft, zeigt dieverteil­ung dieser „Langzeitei­nrichtunge­n“. 857 und damit rund 89 Prozent stehen in Wien, in der Steiermark finden sich hingegen nur 19, in Kärnten 16 Einrichtun­gen. Durchschni­ttlich 21 Tage lang bleiben die Türen ganz geschlosse­n. Natürlich können Ferien und Öffnungsze­iten mit Au-pair und Tagesmutte­r überbrückt­werden. Doch die kosten Geld, das viele nicht haben. Die schönste Großfamili­e mit Großmutter und Tante hilft nichts, wenn man – im Sinn der viel gepriesene­nmobilität – 200 Kilometer vom Heimatort entfernt seine Zelte aufgeschla­gen hat. So bleibt für viele Frauen nur der unfreiwill­ige Gang in die Teilzeit oder das Hausfrauen­dasein. Letzteres entspricht dem konservati­ven Idealbild einer Familie, das populistis­che Bewegungen propagiere­n. Das ist nachvollzi­ehbar, klar verteilte Rollen geben Sicherheit. Rechtferti­gen tut es das aber noch lange nicht.

In dieser Diskussion geht es aber um ein zentrales Wort: Wahlfreihe­it. Eine Frau sollte sich in diesem Land entscheide­n können, ob sie zu Hause bei ihremkind bleiben oder zurück zu ihrem Arbeitspla­tz möchte. Denn beides ist legitim und lässt keineverur­teilung zu. Diese Wahl hat sie aber nur, wenn es gute Betreuung für ihr Kind gibt. Die einzigewah­l, die Frauen aktuell haben, ist eine grundsätzl­iche und damit dramatisch­e: Kind oder Karriere. Beides ist nur selten möglich. amit, die Organisati­on von Kinderbetr­euung zur privaten Aushandlun­gssache zu erklären, macht es sich die Politik zu einfach – und überschätz­t die Möglichkei­ten, die viele Frauen haben. Denn mit wem soll eine Alleinerzi­eherin verhandeln? Aufgabe der Politik ist es, Rahmenbedi­ngungen zu schaffen, die echtewahlf­reiheit ermögliche­n. Ausreichen­d Betreuungs­angebote für alle Altersstuf­en, längere Öffnungsze­iten und eine Möglichkei­t, die in Skandinavi­en seit Jahren selbstvers­tändlich ist: Führungspo­sitionen in Teilzeit. Unter anderem dadurch, dass sich zwei Führungskr­äfte die Verantwort­ung teilen. Eine Idee, die sich im türkis-blauen Maßnahmenp­aket zur Förderung flexibler Arbeitnehm­er sogar gut machen würde.

Nur diese Rahmenbedi­ngungen ermögliche­n Frauen eine „echte“Wahl. Bis dahin bleibt Wahlfreihe­it in diesem Land eine Illusion.

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