Wahlfreiheit ist eine Illusion
Frauen müssen sich noch immer zwischen Kindern und Karriere entscheiden. Dass „ihre“Ministerinnunbei der Kinderbetreuung sparen will, ist ein Schritt in die falsche Richtung.
Der ideale Arbeitnehmer aus Sicht der Regierung ist schnell beschrieben. Flexibel und mobil soll er sein, bis zu zwölf Stunden soll er zu Spitzenzeiten arbeiten. Doch eine Gruppe kann bei diesem Bestreben nicht mit: Mütter. Denn von einer 12-Stunden-betreuung für ihre Kinder können die meisten nur träumen. Die Ankündigung von ÖVP-FRAUenministerin Juliane BognerStrauß, bei ebendieser Betreuung den Sparstift ansetzen zu wollen, lässt Länder und Betroffene aufschreien.
Denn die Betreuungssituation im Land lässt bereits jetzt zu wünschen übrig. Von 9297 Kindertagesheimen halten nur 965 ihre Türen 12 Stunden und länger offen. Dass sich diese Problematik am Land noch verschärft, zeigt dieverteilung dieser „Langzeiteinrichtungen“. 857 und damit rund 89 Prozent stehen in Wien, in der Steiermark finden sich hingegen nur 19, in Kärnten 16 Einrichtungen. Durchschnittlich 21 Tage lang bleiben die Türen ganz geschlossen. Natürlich können Ferien und Öffnungszeiten mit Au-pair und Tagesmutter überbrücktwerden. Doch die kosten Geld, das viele nicht haben. Die schönste Großfamilie mit Großmutter und Tante hilft nichts, wenn man – im Sinn der viel gepriesenenmobilität – 200 Kilometer vom Heimatort entfernt seine Zelte aufgeschlagen hat. So bleibt für viele Frauen nur der unfreiwillige Gang in die Teilzeit oder das Hausfrauendasein. Letzteres entspricht dem konservativen Idealbild einer Familie, das populistische Bewegungen propagieren. Das ist nachvollziehbar, klar verteilte Rollen geben Sicherheit. Rechtfertigen tut es das aber noch lange nicht.
In dieser Diskussion geht es aber um ein zentrales Wort: Wahlfreiheit. Eine Frau sollte sich in diesem Land entscheiden können, ob sie zu Hause bei ihremkind bleiben oder zurück zu ihrem Arbeitsplatz möchte. Denn beides ist legitim und lässt keineverurteilung zu. Diese Wahl hat sie aber nur, wenn es gute Betreuung für ihr Kind gibt. Die einzigewahl, die Frauen aktuell haben, ist eine grundsätzliche und damit dramatische: Kind oder Karriere. Beides ist nur selten möglich. amit, die Organisation von Kinderbetreuung zur privaten Aushandlungssache zu erklären, macht es sich die Politik zu einfach – und überschätzt die Möglichkeiten, die viele Frauen haben. Denn mit wem soll eine Alleinerzieherin verhandeln? Aufgabe der Politik ist es, Rahmenbedingungen zu schaffen, die echtewahlfreiheit ermöglichen. Ausreichend Betreuungsangebote für alle Altersstufen, längere Öffnungszeiten und eine Möglichkeit, die in Skandinavien seit Jahren selbstverständlich ist: Führungspositionen in Teilzeit. Unter anderem dadurch, dass sich zwei Führungskräfte die Verantwortung teilen. Eine Idee, die sich im türkis-blauen Maßnahmenpaket zur Förderung flexibler Arbeitnehmer sogar gut machen würde.
Nur diese Rahmenbedingungen ermöglichen Frauen eine „echte“Wahl. Bis dahin bleibt Wahlfreiheit in diesem Land eine Illusion.
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