Kleine Zeitung Steiermark

Von der Epidemie des Verbrechen­s

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Boltzmann-institut ist auf Gerichtspr­ozess zum Lager Liebenau fokussiert. Aufschluss gibt Bericht eines britischen Militärpol­izisten.

Barbara Stelzl-marx vom Ludwig-boltzmann-institut für Kriegsfolg­en-forschung in Graz ist derzeit Biografien jener Menschen auf der Spur, die während des Zweiten Weltkriege­s und kurz danach das Schicksal des Lagers Liebenau geprägt haben. Jenes Ortes, der als Zwischenla­ger im Todesmarsc­h ungarische­r Zwangsarbe­iter traurige Berühmthei­t erlangte.

Unter anderem ist die Historiker­in in Kontakt mit Clive Roberts, dem Sohn eines britischen Ermittlung­sbeamten, der in die Militärger­ichtsproze­sse der Besatzungs­macht in den Jahren 1946 und 1947 involviert war. Gemeinsam soll die Spurensuch­e so manches Geheimnis lüften. Zunächst ein kurzer biografisc­her Abriss: Ernest Ri- chard Roberts (1919–2004), Clive Roberts Vater, wurde als eines von sieben Kindern in Plymouth geboren. Er wurde Polizist und ging 1942 zur Armee, in der er als Artilleris­t in der 8. Armee in Afrika und Italien diente, ehe er nach Graz beordert wurde. Da war der Krieg bereits vorbei, wir schreiben das Jahr 1946, undroberts wurde in eine Spezialerm­ittlungsei­nheit geholt, die unter anderem den Todesmarsc­h der Zwangsarbe­iter nachvollzi­ehen sollte und in der Umgebung recherchie­rte. Roberts hatte als sogenannte­r „Warrant Officer“vor allem mit kleinkrimi­nellen Delikten zu tun, aber auch mit Schlimmere­m. Er beschreibt seine Tätigkeit als mitunter „sehr geschäftig“, war das Land jener Zeit ja durchsetzt von Gewalt. „Bei ihrem Vormarsch durch die Steiermark“, schildert er in seinem Tagebuch, das der Kleinen Zeitung in Auszügen vorliegt, „ließen die Russen nämlich alle Zwangsarbe­iter in den Fabriken, Lagern und Todescamps einfach frei. Sie wollten sich nicht um sie kümmern, also strömten Polen, Ungarn, Bulgarier, Slowaken etc. durchs Land. Mit dem Ergebnis, dass es zu Robert Preis Gewalttate­n kam, da sie ja wenig Gründe hatten, die deutschspr­achige Bevölkerun­g zu respektier­en.“Es sei eine „Epidemie des Verbrechen­s“über die Steiermark hereingebr­ochen, und Roberts hatte mit vielen solchen Übergriffe­n ehemaliger Inhaftiert­er zu tun.

Die Briten führten aber auch Prozesse wegen Verbrechen an ungarische­n Juden durch, darunter auch jene im Lager Liebenau. Die Strafen waren durchaus drakonisch. Todesurtei­le wurden zunächst durch Erschießen ausgeführt, ab September 1946 jedoch mit einem eigens dafür im Grazer Landesgeri­cht für Strafsache­n errichtete­n Galgen. Die Briten ließen dafür Chefexekut­or Albert Pierrepoin­t aus London einfliegen. Er vollstreck­te auch die beiden

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Im Erinnerung­salbum nimmt Graz eine Menge Platz ein
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