Salzburgs neue Königin
Ein Energiebündel, eine zweifache Mutter, eine Frau mit „rotem“Sopran: Asmik Grigorian triumphiert bei den Festspielen als Salome in der Oper von Richard Strauss.
Dirigent Franz WelserMöst hatte schon nach den ersten Proben im Mai von einer „besessenen Arbeiterin“in der Hauptrolle geschwärmt und eine fantastische „Salome“versprochen. Und sogar der sonst so zurückhaltende Intendant Markus Hinterhäuser verhieß Großes.
Versprochen, gehalten! Der Jubel für Asmik Grigorian nach der Premiere der Oper von Richard Strauss bei den Salzburger Festspielen war ebenso einhellig wie die Kritikermeinung. „Ein Star ist geboren“, schrieb etwa der „Spiegel“. Und auch wir lobten: „Die litauische Sopranistin überragt alle, sie singt und spielt vulkanisch bis zur völligen Verausgabung eine Salome, die Abweisung und Missbrauch erdulden muss und dann zum Racheengel wird.“
Ja, eine Sternstunde. Aber kein Komet. Denn einen Platz im Opernhimmel muss sich jede und jeder erst hart erarbeiten. Auch Asmik Grigorian. Wobei: Den Gesang hatte die zarte Sopranistin quasi mit Mutter- Vatermilch aufgesogen. Die Tochter des armenischen Tenors Gegam Grigorjan und der litauischen Sopranistin Irena Milkevicˇiu¯te˙ genoss das künstlerische Umfeld daheim ebenso wie zunächst eineausbildung in Klavier und Chordirigieren am Kunstgymnasium in Vilnius. An der Musik- und Theaterakademie wurde dann aber doch der Gesang ihre große Liebe, und noch während ihres Studiums wurde sie von Opernhäusern engagiert; mit einem sehr jungen Partner an ihrer Seite übrigens, denn bereits mit 21 brachte sie ihren Noah zurwelt.
„Durch das frühe Muttersein hatte ich wenig Zeit, mich aktiv um die Karriere zu kümmern“, sagt die 37-Jährige kürzlich im Orf-„kulturmontag“. Dafür lief diese dann aber ziemlich perfekt. Ihr internationales Debüt gab sie 2005 im norwegischen Kristiansand als Donna Anna in Mozarts „Don Giovanni“, seit 2011 wird sie mehrheitlich an Opernhäusern im deutschsprachigen Raum engagiert.
Im selben Jahr gab sie mit mädchenhafter Frische die Lisa in Peter Konwitschnys Inszenierung von Tschaikowskis „Pique Dame“an der Oper Graz. Der deutsche Theaterexperte war auchmentor vonvasily Barkhatov, mit dem Moskauer Regisseur ist Grigorian seit 2015 verheiratet und hat mit ihm die zweijährige Tochter Le˙ja.
Im Vorjahr ließ die Litauerin schon einmal in Salzburg aufhorchen: In Alban Bergs „Wozzeck“sang sie unter Vladimir Jurowski die Marie und berührte in der gefeierten Regie von William Kentridge als ArmeLeut-mädchen in ständiger Sorge um sein Kind – eine Puppe mit Gasmaskenaugen.
Im Singen finde sie die Antworten für das Leben und im Leben die Antworten für das Singen, sagt Grigorian. Aber obwohl sie mittlerweile mehr als 80 Rollen beherrscht und ihr Weg gerade in letzter Zeit steil nach oben zeigt, war ihr ziemlich bang vor der Strauss-oper, wie sie im Orf-interview gestand: „Ich habe mir mit der Salome, einer der schwierigsten Aufgaben bisher, so viel vorgenommen – stimmlich wie szenisch. Und als ich dann begonnen habe, war mir nicht klar, ob ich das schaffen würde!“
Der Zweifel wurde wohl endgültig ausgeräumt, als es die Zuhörer in der Felsenreitschule von den Sitzen riss, Dirigent Welser-möst sie umarmte und Regisseur Romeo Castellucci stellvertretend für alle vor ihr niederkniete. Laut dem Berliner Fachmagazin „Oper!“bezeichnet Asmik Grigorian ihren Sopran als „rot, aber nicht wierotwein, eher wie Cognac oder Whiskey“. Leicht vorstellbar, dass sich das sympathische Energiebündel nach dem Premierentriumph mit einem Glas Bernsteinrot selbst belohnt hat. Alle Termine