Wo alles ausufert
Die Pariser Champs-élysées sollen exklusiver werden. Aber geht das bei einer derart vielfältigen Prachtstraße überhaupt?
DVon unserem Korrespondenten n as passt nicht. Wuchtig, klotzig wirkt der Arc de Triomphe, wenn man vor ihm steht, zu ihm aufblickt. Heldenarchitektur eben, die von Napoleons siegreichen Schlachten kündet. Doch beim Betreten des Bogens ist die ganze kolossaleherrlichkeit dahin. Die Gebrüder Grimm scheinen dem Bauherrn zur Hand gegangen zu sein. Eine dornröschentaugliche Wendeltreppe windet sich den 50 Meter hohen Nordostpfeiler des Triumphbogens zur Aussichtsterrasse hinauf. So schmal sind die Stufen, dass eben noch Arm in Arm flanierende Paare zum Gänsemarsch übergehen.
Oder passt es am Ende doch? Der Triumphbogen steht schließlich nicht irgendwo in Paris, sondern am Ende der Champs-élysées. Und für diese quirlige Prachtstraße gilt: Sie führt zusammen, was nicht zusammengehört. Auf der von Platanen gesäumten achtspurigen Allee gedeiht einfach alles. Das heißt, es gedeiht nicht nur. Es sprießt, wuchert, schießt ins Kraut, ufert aus. Ob Volksfest, Staatsakt, Fußballorgie oder Konsumrausch – Übermaß ist die Norm.
Am vergangenen Sonntag noch keuchten Zweiradkrieger der Tour de France das Kopfsteinpflaster zum Arc de Triomphe hinauf, begleitet vom ekstatischen Kreischen der sich an Stellgitter drückenden Fans. Knapp zweiwochen zuvor war hier der Jubel über Frankreichs im Doppeldeckerbus vorbeirollende Fußballweltmeister hereingebrochen.
Am Nationalfeiertag, dem 14. Juli, hatte das Militär auf den Champs-élysées vorgeführt, was es hat undwas es kann. Und jetzt, da der nationale Taumel abflaut, das im November vor dem Triumphbogen zu zelebrierende Gedenken an die Toten des Ersten Weltkriegs noch fern ist, explodiert der Kommerz.
Zu Hunderttausenden drängen sich Sommertouristen vor den Schaufenstern. Alles finden die Kauflustigen hier. Gleich hinter dem Arc de Triomphe lockt Cartier die Laufkundschaft mit einer Armbanduhr für 20.400 Euro. Ein paar Schritte weiter bietet „I love Paris“Nippes feil. Blecheiffeltürme sind dort zu haben oder auch Magneten für die heimische Kühlschranktür, auf denen Eiffelturm, Macarons plus Kochmütze prangen.
Das heißt, noch finden die Kauflustigen alles. Die Tage des Ramsches nämlich scheinen gezählt. „Die Champs-elysées stehen vor einem tief greifenden Wandel“, sagt Edouard Lefebvre vom Comité ChampsÉlysées, das die Interessen der an der Prachtstraße ansässigen Geschäftswelt vertritt. Daswaren- und Dienstleistungsangebot werde künftig vornehmlich „haute gamme“sein, Spitzen- klasse also. In der Tat deutet einiges auf eine Zeitenwende hin. Vom Massenansturm mehr abgeschreckt als angezogen, hattennobelmarken lange Zeitwenig Grund gesehen, sich auf den Champs-élysées blicken zu lassen.
Aber ob es nunambrexit liegt und Londons schwindender Attraktivität oder daran, dass Frankreichs junger, reformfreudiger Präsident Emmanuel Macron die Wirtschaftsführer der Welt in Bann geschlagen hat: Die Champs-elysées sind en vogue. Auf der Prachtstraße Flagge zu zeigen, ist für internationales Prestige suchende Firmen ein Muss. Ob Apple oder Nike, Lafayette oder Sofitel: