Hotelmamahat zu
mehr als einem Jahr ist unser „Hotel Mama“geschlossen, obwohl es immer noch gut belegt ist. In den ersten Stock zog unser Ältester mit seiner Familie ein, in Parterre und Nebengebäude hausen drei weitere Söhne. Astrid und ich sind nach Straßengel in ein 1891 erbautes Haus übersiedelt, das meine Frau von ihrer Tante geerbt hat.
Üblicherweise ziehen die Kinder aus und die Eltern bleiben allein zurück. Bei uns war es umgekehrt. Die Knaben, obwohl schon im Erwachsenenalter, vermissten ihre Eltern. Vor allem ihre Mutter, die als umsichtige Betreiberin des Hotels Mama rund um die Uhr im Dienst war. Das Wäscheservice ließ keine Wünsche offen, der Eiskasten war immer voll und der Sanitärbereich in einem Zustand, der auch Gästen zugemutet werden konnte.
Im Garten blühten die akkurat geschnittenen Rosen, das Kräuterbeet hatte immer genug Wasser, die Erdbeeren waren gejätet. Einmal in der Woche stattet Astrid ihrem ehemaligen Haushalt einen Besuch ab. Thymian und Rosmarin sind verdorrt, die Rosen imwildwuchs und das stark verschlickte Flusensieb verrät dem Profi, dass die Waschmaschine nicht ganz fachgerecht betrieben wird.
Die Stimmung unter den Hotelgästen ist prächtig, die Berge von Kleidungsstücken, die allenthalben kreativ verteilt sind, künden vom Gefühl von Frei- heit. Die Ex-hoteldirektorin wird nun von ihrer Vergangenheit eingeholt. Unter höflichem Protest ihrer Söhne befüllt sie einen Sack mit Leiberln, Socken und Sporthosen, um sie in ihrer Maschine zu waschen. Im Grunde sind die jungen Herren froh und dankbar, aber allzu sehr wollen sie es sich nicht anmerken lassen.
Apropos dankbar: In der legendären „Doppelconférence“unterhalten sich Karl Farkas und Ernst Waldbrunn über die Dankbarkeit von Kindern. Farkas (der „Gescheite“) meint, dass es sie nicht mehr gebe, worauf Waldbrunn (der „Blöde“) sinngemäß zur Antwort gibt: „Es gibt aber auch dankbare Kinder. Ich kenne eine Frau, die hat ihr ganzes Leben lang die Hemden fremder Leute gewaschen, nur damit ihr Sohnmedizin studieren kann. Jetzt ist er Arzt – und lässt seine Wäsche nur von ihr waschen.“
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160 Seiten, 16,90 Euro