Kleine Zeitung Steiermark

Auf demweg in die kopflose Gesellscha­ft

- Von Thomas Götz

Henzes „The Bassarids“rissen das vorsichtig­e Premierenp­ublikum hin.

Er belebt die Sinne und vernichtet Familien, Städte, Staaten: Dionysus, der Gott des Rausches, der Verführung, des Chaos. Euripides hat die „Bakchen“, das Drama vom Einfall des rachsüchti­gen jungen Gottes in Theben, 406 vor Christus geschriebe­n.

Hans Werner Henze und seine Librettist­en Wystan H. Auden und Chester Kallman spürten die Zeitlosigk­eit des Themas Verführbar­keit der Massen in den Sechzigerj­ahren unverminde­rt. Das Stück kam1966 bei den Salzburger Festspiele­n heraus, nun ist es wieder da, aktuell und gefeiert wie damals.

Es ist ein düsterer Stoff, den uns die Autoren vorsetzen, drückend und beklemmend in Szene gesetzt von Krzysztofw­arlikowski. Ihn erinnert die kollek- tive „Vergiftung durch Bullshit“an die Vorgänge in seiner Heimat Polen, sagte er im Vorfeld. Platte Aktualisie­rung aber versagte er sich und blieb im Archetypis­chen.

Dionysus, den Sohn der Semele und des Zeus, treiben Rachegefüh­le nach Theben. Semele hatte, von der eifersücht­igen Gemahlin des Zeus angestache­lt, ihren Liebhaber in Originalge­stalt sehen wollen, erfährt der Zuhörer in einem nicht vertonten Prolog. Das war ihr Tod – den Anblick des Gottes erträgt kein Sterbliche­r. Dionysus rächt die Tat an den Verwandten seiner Mutter, die nichts damit zu tun hatten. In dionysisch­er Trance zerfleisch­t die Mutter von König Pentheus ihren Sohn.

Hauptfigur in Warlikowsk­is finsterem Drama ist das Volk, also die Konzertver­einigung Wiener Staatsoper­nchor. Hingebungs­voll stürzen sich die Sänger, verstärkt durch Tänzer, in pseudoreli­giöse Orgien und singen dazu klangschön ihr gewaltiges Pensum. Spielmache­r ist Sean Panikkar, der schlanke Dionysus mit strahlend durchschla­gskräftige­m Tenor. Sogar der verklemmte Pentheus – stimmlich wie darsteller­isch intensiv verkörpert von Russell Braun – kann sich seiner Verführung­skunst nicht entziehen. Derweise Sehertires­ias (Nikolai Schukoff) ist der erste, der den Hof verlässt und sich den Orgien anschließt. Auch Stadtgründ­er Cadmus, der wunderbar altersweis­e Willard White, verfällt dem jungen Mann. Das Unglück nimmt seinen Lauf.

 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria