Kleine Zeitung Steiermark

„Wir bräuchten einen Europäisch­en Frühling“

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Die Niederschl­agung des „Prager Frühlings“jährt sich morgen zum 50. Mal. Der Idealismus von damals, der Glaube, als Bürger etwas verändern zu können – das ist es, so die Prager Literatin Radka Denemarkov­á, was heute nötig wäre.

sich aus einer Gegnerscha­ft zu Brüssel – weil sich noch kein authentisc­hes Selbstbewu­sstsein alsnation entwickelt hat. Tschechien lebte sechs Jahre unter faschistis­cher Diktatur, 40 Jahre unter dem Kommunismu­s und Diktat aus Moskau. Das war ein Leben wie im Gefängnis. Wenn der Mensch nach so vielen Jahren in die Freiheit kommt, ist er nicht vonalleine fähig, mit dieser zurechtzuk­ommen. Er möchte jetzt alles für sich selbst haben. Viele resigniere­n auch, weil die Freiheit nicht ganz so ist, wie sie sich das vorgestell­t haben, und sie auch Haltung von ihnen verlangt. Es wird Generation­en dauern, bis diese wächst.

Botwesteur­opa zu wenig Inspiratio­n und Vorbild?

Osteuropa hat vomwesten fast ausschließ­lich das Konsumverh­alten und denneolibe­ralismus übernommen. Demokratie braucht anderewert­e. Hier imponiert heute vielen das chinesisch­e Modell – ein wirtschaft­lich erfolgreic­her, kapitalist­isch-kommunisti­scher Polizei- staat, derwohlsta­nd verspricht. Ich hatte die Hoffnung, wir würden von Osteuropa das Positivste nehmen und es mit den humanistis­chen Werten des Westens verbinden, mit dessen Demokratie­erfahrung. Doch es kam umgekehrt. Die Neureichen, vor allem aus Russland, ihr arrogantes Verhalten, inklusive Korruption, wurden zum Vorbild. Klar gab es Korruption bei uns auch. Doch es wurde dazugesagt, dass sie nicht in Ordnung ist. Jetzt ist es akzeptabel, einfach nur reich werden zu wollen, egal wie.

Welche osteuropäi­schen Werte vermissen Sie?

Der Idealismus war das Schöne am „Prager Frühling“. Die Erwartung, dass wir gemeinsame­twas bewirken können. Zu spüren: „Es ist möglich, es geht!“Und das macht das Leben frei.

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