Die gekaperte Hochzeit
Was die Hochzeit von Außenministerin Karin Kneissl und ihr präsidialer Gast aus Russland über Politik und Amtsverständnis lehren.
Wenn man jemanden einlädt, will man, dass er kommt“, ließ das Außenministerium zur Entstehungsgeschichte des bombastischen Kurztrips des russischen Präsidenten in die Südsteiermark wissen. Damit übernimmt die Braut dieverantwortung für alles Weitere: die Explosion der Kosten, die Straßensperren und Unannehmlichkeiten der Fluggäste am Thalerhof. Und für die Kaperung ihrer eigentlich klein und privat geplanten Hochzeit durch Wladimir Putin.
Im Privatleben ist es ja eine nette Geste, einen Zufallsbekannten rasch einmal dazu zu laden, wenn er schonwind bekommt von den geplanten Feierlichkeiten. Es zeugt von Spontaneität. In der Politik aber gelten andere Regeln. Deshalb ist Politik eigentlich ein Beruf, den man lernen muss wie andere auch.
Karin Kneissl ist keine Berufspolitikerin und – wie die meisten Quereinsteiger – stolz auf die vielfältigen Berufserfahrungen, die sie in ihrem Leben sammeln konnte. Die können ja auch nützlich sein, wie jede Lebenserfahrung.
Nur eines lernt man abseits des politischen Parketts nicht: dass ein hohes Staatsamt eine tief greifende Veränderung mit sich bringt. Aus der Privatperson wird der Repräsentant von etwas Größerem, vom Staat, von einem Land mit seiner ganzen Geschichte. Im Fall von Karin Kneissl kommt noch dazu, dass Österreich derzeit den Vorsitz im Europäischen Rat innehat, sie also dem Gremium der Europäischen Außenminister ein halbes Jahr lang vorsitzt. Sie steht damit für Europa und dessen Politik. Das verändert den Charakter ihrer Einladung.
Der kurze und scheinbar harmlose Abstecher Wladimir Putins ins sonnige Weinland lässt sich deshalb nicht zur privaten Sympathiebekundung herunterstufen, als die er vermutlich vom Gast auch nicht gedacht war. Ein Präsident ist immer ein Präsident und Putin weiß das. Er repräsentiert sein Land und die Leistungsbilanz seiner Regierungsjahre, auch wenn er nur privat vorbeischaut. Das war der Zweck der Übung für ihn: Business as usual, obwohl gar nichts usual ist im Verhältnis Europas zu Russland. Ganz nebenher treibt er damit auch den Keil tiefer in den gespaltenen Kontinent. So hat sich der Abstecher für ihn auf jeden Fall gelohnt. Lasst die Österreicher ruhig vom Brückenbauen reden, ich säge unterdessen munter am europäischen Gebäude. as der Journalistin Karin Kneissl also selbstverständlich gestattet gewesen wäre, bedarf im Fall der Außenministerin einer Erklärung. Entweder war die Einladung eine Panne, die zur Kaperung ihrer Hochzeit führte, dann könnte man ohne Bedenken von Dilettantismus sprechen. Oder es war ein bewusst herbeigeführtes politisches Signal, dann handelt es sich um einen Skandal. Im Interesse Österreichs und Europas dürfen wir hoffen, die Ministerin war noch nicht ganz in ihrem Amt angekommen, als sie Putin einlud. Das Amtsverständnis lässt sich nämlich nachlernen.
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