Kleine Zeitung Steiermark

Die Sommerfris­che wird zur Sommerstil­le

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Nicht nur die Temperatur­en führen zu einer Renaissanc­e der sogenannte­n Sommerfris­che. Bemerkunge­n zu Adel, Großbürger­tum, erotischen Abschweifu­ngen und jungen Verweigere­rn.

Wörter, Begriffe und Namen haben ein ideelles Aroma. Eines, das oft weit über Abfolge der Buchstaben und deren eigentlich­e Bedeutung hinausgeht. Dieses Aroma kann Glück verheißen oder unheilschw­er sein. Beim Begriff bacherlwar­m wird uns wohl umsherz, bitterkalt indes löst unerfreuli­che Gefühle aus. Das mag auch für federleich­t und bleischwer gelten. Auch macht es einen Unterschie­d, ob eine Verkehrsad­er Gaswerkstr­aße oder Parkring heißt.

Und erst die Sommerfris­che. Ihr etymologis­cherwiderp­art wäre wohl diewinters­tarre. Letztere klingt nach Frost und komatöser Anspannung. Im Begriff Sommerfris­che sind mehrere Heilsversp­rechen verpackt: Wärme, Sonne, Freizeit, Bewegung, Leichtigke­it, frische Luft, Erholung.

Das Fundament der Sommerfris­che ruht auf zwei Eckpfeiler­n: der Hitze in einer Stadt, die es längst vor dem Klimawande­l gab und die einst keine Airconditi­on milderte, und demumstand, dass imjuli und im August das politische und teilweise auch wirtschaft­liche Leben ein wenig ruhte. Zumindest in der industriel­len Gesellscha­ft.

Daraus ergibt sich auch, dass vor allem der Adel und die etwas gehobene Gesellscha­ft diese wohltuende Stadtfluch­t pflegten. Bauern kannten keinen Urlaub und natürlich keine Sommerfris­che.

Mein seliger Vater, aus kleinsten bäuerliche­n Verhält- bloß eineweile ins Grüne verlegen.

Wennwikipe­dia recht hat, stammt der Begriff aus dem Venetianis­chen. Dort spricht man nicht vom Spaziereng­ehen, sondern von „prendere il fresco“– Kühlung nehmen.

So verfügt etwa Zell am See über ein solides Gästepoten­zial aus Saudi-arabien, da es hier relativ kühl istunddazu­oft regnet. ass der Kühlung eine gewisse Schwüle innewohnen konnte, ist aus Arthur Schnitzler­s Beziehungs­drama „Das weite Land“ersichtlic­h. Derdurchau­s polyamourö­se Fabrikant Friedrich Hofreiter kämpft mit der (zu Unrecht) vermuteten Untreue seiner Gemahlin. Das hält ihn nicht davon ab, eine Affäre mit der blutjungen Erna zu beginnen. Und dies alles am Völserweih­er im Vorland der Dolomiten. Und auch andere Literaturz­uillegitim­er Erotik in der Sommerfris­che gibt es.

Ein Südtiroler Freund berichtete mir einmal vom Gegenteil: In Bozen schickten wohlhabend­e Bürger sommersübe­r ihre Familien auf den Hausberg Ritten, um derweil unten in der Stadt sturmfreie Bude zu haben und außereheli­ches Highlife zu feiern. Was die Sommerfris­chler-damen anstellten, ist nicht überliefer­t.

Der Begriff Sommerfris­che ist heute weitgehend verschwund­en, die Urlaubsart indes floriert seit Kurzem wieder. Es ist nicht nur die Hitze, nein, Terrorangs­t, Flugstress, Strandgedr­ängel etc. haben eine Art Urlaubsbie­der-

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