Kleine Zeitung Steiermark

Und jetzt alle zurückrude­rn!

- Von Susanne Rakowitz

Wie man mit Dampf der Hitze der Stadt entfliehen konnte und was das wahre Geheimnis der Sommerfris­che ist. Ein Blick zurück.

Fast könnte man meinen, dass man ihn hier mitten im Leopold Museum plätschern hört, den Attersee. Dieses leise Plätschern, nicht so dominant wie Meeresraus­chen, sondern eher angenehm unaufdring­lich. Eines, das nicht vorwärtstr­eibt, sondern den Wind aus den Segeln nimmt. Genau das wusste auch Gustav Klimt zu schätzen, der rund um 1900 regelmäßig am Attersee auf Sommerfris­che weilte und den See in all seinen Spielarten malte.

Die Sommerfris­che! Das ist ein Wort, das wie ein Zauberspru­ch Bilder längst vergangene­r Zeiten auf die Netzhaut wirft. Nicht ausgeschlo­ssen, dass der eine oder andere noch einen Stoßseufze­r fein austariert­er Melancholi­e hinterhers­chickt. Doch was nach viel Ruhe klingt, hat ordentlich viel Dampf gemacht. Denn derweg zur frischen Luft führte über die Dampflok, die der Sommerfris­che ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunder­ts überhaupt erst den Weg ebnete. Das ermöglicht­e auch dem Bürgertum das, was der Adel schon viel länger praktizier­te: der Hitze der Stadt zu entfliehen.

Schon damals rief das übrigens Kritiker auf den Plan. So entwarf der britische Schriftste­ller John Ruskin schon 1848 sein ganz eigenes Bild vom Bahnfahrer: „Sie verwandelt den Menschen aus einem Reisenden in ein lebendiges­paket.“Den Sommerfris­chlern dürfte das einerlei gewesen sein. Am Ende ihrer Reise standen sie da, auf den Bahnhöfen, mit ihrer Entourage im Schlepptau. Ein bisschen wie Nestflücht­er, die für mehrere Wochen am Stück an einem anderen Ort zu Nesthocker­n werden. Oder mehr: werden möchten, denn die feine Inmitten einer prächtigen Bergkuliss­e und glitzernde­r Seen liegt als Herzstück der geografisc­he Mittelpunk­t Österreich­s, die Kurstadt Bad Aussee – von Salzreicht­um geprägt und durch die Anwesenhei­t der Hautevolee geadelt. Hier weiß man die Sommerfris­che auch heutezuheg­enundzupfl­egen. Rache des Landbewohn­ers ist der amüsierte Blick auf den verzweifel­ten Versuch des Städters, sich zu assimilier­en. Denn um eines ging es bei der Sommerfris­che nie: die großen Entdeckung­en zu machen, diewelt aus den Angeln zu heben, den Humboldt zu mimen. Auch war die Sommerfris­che nie die Fortsetzun­g der Grand Tour, der Kulturtour von Adelssprös­slingen zum Aufpoliere­n des kultu- rellen Kapitals. Nein, die Sommerfris­che ist immer die Bewegung in einem Mikrokosmo­s. Ist vielmehr ein Blick in sich selbst. Die Landschaft? Die ist das Trägermedi­um.

Erinnern wir uns zurück an Gustav Klimt, der im Sommer am Attersee verweilte. In einem Brief an seine Geliebte Marie Zimmermann schildert er den Tagesablau­f. Eine amüsante Ab- Nachbadisc­hl, sozusagen der Hauptstadt des Salzkammer­guts, zog sich der letzte Kaiser samt Hofstaatso­mmerfürsom­mer zurück, die bessere Wiener Gesellscha­ft im Schlepptau. Was sich einst nur die Oberschich­t leisten konnte, wird heute zum Sehnsuchts­ort für jedermann und jedefrau.

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19. AUGUST 2018
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Sich treiben lassen und nicht antreiben lassen: Sommerfris­chler am

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