Und jetzt alle zurückrudern!
Wie man mit Dampf der Hitze der Stadt entfliehen konnte und was das wahre Geheimnis der Sommerfrische ist. Ein Blick zurück.
Fast könnte man meinen, dass man ihn hier mitten im Leopold Museum plätschern hört, den Attersee. Dieses leise Plätschern, nicht so dominant wie Meeresrauschen, sondern eher angenehm unaufdringlich. Eines, das nicht vorwärtstreibt, sondern den Wind aus den Segeln nimmt. Genau das wusste auch Gustav Klimt zu schätzen, der rund um 1900 regelmäßig am Attersee auf Sommerfrische weilte und den See in all seinen Spielarten malte.
Die Sommerfrische! Das ist ein Wort, das wie ein Zauberspruch Bilder längst vergangener Zeiten auf die Netzhaut wirft. Nicht ausgeschlossen, dass der eine oder andere noch einen Stoßseufzer fein austarierter Melancholie hinterherschickt. Doch was nach viel Ruhe klingt, hat ordentlich viel Dampf gemacht. Denn derweg zur frischen Luft führte über die Dampflok, die der Sommerfrische ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts überhaupt erst den Weg ebnete. Das ermöglichte auch dem Bürgertum das, was der Adel schon viel länger praktizierte: der Hitze der Stadt zu entfliehen.
Schon damals rief das übrigens Kritiker auf den Plan. So entwarf der britische Schriftsteller John Ruskin schon 1848 sein ganz eigenes Bild vom Bahnfahrer: „Sie verwandelt den Menschen aus einem Reisenden in ein lebendigespaket.“Den Sommerfrischlern dürfte das einerlei gewesen sein. Am Ende ihrer Reise standen sie da, auf den Bahnhöfen, mit ihrer Entourage im Schlepptau. Ein bisschen wie Nestflüchter, die für mehrere Wochen am Stück an einem anderen Ort zu Nesthockern werden. Oder mehr: werden möchten, denn die feine Inmitten einer prächtigen Bergkulisse und glitzernder Seen liegt als Herzstück der geografische Mittelpunkt Österreichs, die Kurstadt Bad Aussee – von Salzreichtum geprägt und durch die Anwesenheit der Hautevolee geadelt. Hier weiß man die Sommerfrische auch heutezuhegenundzupflegen. Rache des Landbewohners ist der amüsierte Blick auf den verzweifelten Versuch des Städters, sich zu assimilieren. Denn um eines ging es bei der Sommerfrische nie: die großen Entdeckungen zu machen, diewelt aus den Angeln zu heben, den Humboldt zu mimen. Auch war die Sommerfrische nie die Fortsetzung der Grand Tour, der Kulturtour von Adelssprösslingen zum Aufpolieren des kultu- rellen Kapitals. Nein, die Sommerfrische ist immer die Bewegung in einem Mikrokosmos. Ist vielmehr ein Blick in sich selbst. Die Landschaft? Die ist das Trägermedium.
Erinnern wir uns zurück an Gustav Klimt, der im Sommer am Attersee verweilte. In einem Brief an seine Geliebte Marie Zimmermann schildert er den Tagesablauf. Eine amüsante Ab- Nachbadischl, sozusagen der Hauptstadt des Salzkammerguts, zog sich der letzte Kaiser samt Hofstaatsommerfürsommer zurück, die bessere Wiener Gesellschaft im Schlepptau. Was sich einst nur die Oberschicht leisten konnte, wird heute zum Sehnsuchtsort für jedermann und jedefrau.