„Bei der nächsten Rezessionmüssen wir wieder zittern“
Griechenland verlässt heute offiziell den Euro-rettungsschirm. Ist das Drama damit tatsächlich beendet? Die Griechen haben „Gewaltiges“geleistet, betont Ökonom Christian Keuschnigg, der aber weiterhin Risiken sieht.
notwendig werden, könnte die Politik der Frustration in der Bevölkerung nachgeben und die Zügel schleifen lassen. Das würde dasvertrauen der Sparer und Unternehmen und der ausländischen Investoren schwer beschädigen. Die Krise wäre wieder da.
In welchen Bereichen ist der griechische Staat besonders gefordert?
Es gibt noch viel zu tun. Vor allem: Der Staat muss weiter sparen und Geld freischaufeln, um mehr in die Zukunft zu investieren und die Wirtschaft und Familien besser zu unterstützen: Rechtssicherheit, klares Steuersystem, Bürokratieabbau, gute Schulen, digitale Infrastruktur, mehr Investitionen in die Forschung usw. Auch in der Eurozone gilt: Der einzige Weg zu mehrwohlstand ist Bildung, Innovation, harte Arbeit und Vertrauen in den Staat.
Der griechische Schuldenberg gemessen an der Wirtschaftsleistung beträgt 180 Prozent, so viel wie nirgends sonst in Europa. Ist das das größte Problem der griechischen Wirtschaft?
Das ist klar zu viel. Es gibt null Spielraum. Bei der nächstenrezession müssen wir wieder zittern. Die Gläubiger sind inzwischen die EZB, der Rettungsschirm und die anderen Staaten. Diese wollen die marktwirtschaftlichen Prinzipien nur bei den privaten Gläubigern, aber nicht bei sich selber anwenden. In dieser Situation braucht es einen Schuldenschnitt, damit möglichst viel von der verbleibenden Schuld verlässlich zurückkommt. Trotz Zinsnachlass knebelt die heutige Situation Griechenland für mindestens ein halbes Jahrhundert. Da wird jedes Vertrauen in die Zukunft schwer. Ich glaube, es ist eine verschleppte Insolvenz.
Trotz kleiner Lichtblicke ist noch immer fast jeder fünfte Grieche arbeitslos. Mehr als 400.000 gut ausgebildete junge Menschen haben das Land verlassen. Wie sehen Sie die Zukunftsperspektiven des Landes?
Gerade die besten Köpfe haben Chancen anderswo. Wenn diese das Land verlassen, ist es tragisch. Vielen tüchtigen Griechen fehlt offensichtlich selber das Vertrauen in die Zukunft. Eine Wende ist eingeleitet. Es braucht jedoch noch gewaltige Anstrengungen. Sie sind es wert. Nicht nur die Familien sollen sich für ihre Kinder ein Leben lang abstrampeln. Auch der Staat muss investieren und ihnen eine solide Wirtschaft hinterlassen. Dann werden die jungen Talente wieder zu Hause ihrenweg suchen.
Viele Bürger der Eurozone fragen sich, wie viele Milliarden aus den Hilfspaketen womöglich nie zurückgezahlt werden. Ist das eine berechtigte Sorge?
Die Sorge ist berechtigt. Wenn man sein Geld zurückhaben will, muss man auch darüber nachdenken, dass es beim Schuldner gut läuft, anstatt nur