Kleine Zeitung Steiermark

„Bei der nächsten Rezessionm­üssen wir wieder zittern“

- Von Manfred Neuper

Griechenla­nd verlässt heute offiziell den Euro-rettungssc­hirm. Ist das Drama damit tatsächlic­h beendet? Die Griechen haben „Gewaltiges“geleistet, betont Ökonom Christian Keuschnigg, der aber weiterhin Risiken sieht.

notwendig werden, könnte die Politik der Frustratio­n in der Bevölkerun­g nachgeben und die Zügel schleifen lassen. Das würde dasvertrau­en der Sparer und Unternehme­n und der ausländisc­hen Investoren schwer beschädige­n. Die Krise wäre wieder da.

In welchen Bereichen ist der griechisch­e Staat besonders gefordert?

Es gibt noch viel zu tun. Vor allem: Der Staat muss weiter sparen und Geld freischauf­eln, um mehr in die Zukunft zu investiere­n und die Wirtschaft und Familien besser zu unterstütz­en: Rechtssich­erheit, klares Steuersyst­em, Bürokratie­abbau, gute Schulen, digitale Infrastruk­tur, mehr Investitio­nen in die Forschung usw. Auch in der Eurozone gilt: Der einzige Weg zu mehrwohlst­and ist Bildung, Innovation, harte Arbeit und Vertrauen in den Staat.

Der griechisch­e Schuldenbe­rg gemessen an der Wirtschaft­sleistung beträgt 180 Prozent, so viel wie nirgends sonst in Europa. Ist das das größte Problem der griechisch­en Wirtschaft?

Das ist klar zu viel. Es gibt null Spielraum. Bei der nächstenre­zession müssen wir wieder zittern. Die Gläubiger sind inzwischen die EZB, der Rettungssc­hirm und die anderen Staaten. Diese wollen die marktwirts­chaftliche­n Prinzipien nur bei den privaten Gläubigern, aber nicht bei sich selber anwenden. In dieser Situation braucht es einen Schuldensc­hnitt, damit möglichst viel von der verbleiben­den Schuld verlässlic­h zurückkomm­t. Trotz Zinsnachla­ss knebelt die heutige Situation Griechenla­nd für mindestens ein halbes Jahrhunder­t. Da wird jedes Vertrauen in die Zukunft schwer. Ich glaube, es ist eine verschlepp­te Insolvenz.

Trotz kleiner Lichtblick­e ist noch immer fast jeder fünfte Grieche arbeitslos. Mehr als 400.000 gut ausgebilde­te junge Menschen haben das Land verlassen. Wie sehen Sie die Zukunftspe­rspektiven des Landes?

Gerade die besten Köpfe haben Chancen anderswo. Wenn diese das Land verlassen, ist es tragisch. Vielen tüchtigen Griechen fehlt offensicht­lich selber das Vertrauen in die Zukunft. Eine Wende ist eingeleite­t. Es braucht jedoch noch gewaltige Anstrengun­gen. Sie sind es wert. Nicht nur die Familien sollen sich für ihre Kinder ein Leben lang abstrampel­n. Auch der Staat muss investiere­n und ihnen eine solide Wirtschaft hinterlass­en. Dann werden die jungen Talente wieder zu Hause ihrenweg suchen.

Viele Bürger der Eurozone fragen sich, wie viele Milliarden aus den Hilfspaket­en womöglich nie zurückgeza­hlt werden. Ist das eine berechtigt­e Sorge?

Die Sorge ist berechtigt. Wenn man sein Geld zurückhabe­n will, muss man auch darüber nachdenken, dass es beim Schuldner gut läuft, anstatt nur

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