Kleine Zeitung Steiermark

Politik mit der Brechstang­e

Das verunglück­te Standorten­twicklungs­gesetz zeigt: Statt mit legistisch­er Brachialge­walt vorzugehen, sollte die Regierung die Probleme hinter den überlangen Verfahren lösen.

- Günter Pilch

Diesmal ist es mehr als ein interessen­s- oder parteipoli­tischer Reflex. Der Entwurf zum Standorten­twicklungs­gesetz der Regierung wird nicht nur von Umweltorga­nisationen und Opposition­sparteien sturmreif geschossen, der Reigen der Kritiker reicht von Richter- und Anwaltsver­tretungen über Verwaltung­sgerichte bis hin zum Rechnungsh­of. Kaum ein unabhängig­er Rechtsexpe­rte findet sich, der den vom Wirtschaft­sministeri­um vorgelegte­n Gesetzeste­xt nicht mit Kopfschütt­eln quittieren würde. Das Gesetz dürfte so ziemlich gegen jede tragende Rechtsnorm verstoßen, der die Republik verpflicht­et ist.

Dabei ist das dahinter stehende Ansinnen vernünftig: Genehmigun­gsverfahre­n für wichtige Infrastruk­turprojekt­e zu beschleuni­gen, dagegen gibt es wenig einzuwende­n. Auch wenn die Masse der Verfahren ohnedies innerhalb vernünftig­er Fristen abgehandel­t wird, gibt es sie dennoch, die spektakulä­ren Ausreißer nach oben. Wenn sich Genehmigun­gsprozesse über Jahrzehnte ziehen, ist das nicht tragbar und es herrscht Handlungsb­edarf. Die dritte Wiener Flughafenp­iste und die 380-kv-stromleitu­ngen lassen grüßen.

Nicht dass dieser Befund besonders neu wäre. Seit vielen Jahren doktern wechselnde Regierunge­n erfolglos an der Causa herum. 2009 versuchte der damalige Övp-wirtschaft­sminister Reinhold Mitterlehn­er mit seinem „Wettbewerb­sbeschleun­igungsgese­tz“, Infrastruk­turprojekt­en quasi über die juristisch­e Hintertür einen Turbo zu verpassen. Der Versuch misslang, auch weil die offensicht­lichen Probleme hinter den überlangen Verfahren unveränder­t blieben.

Eines davon: Seit Jahrzehnte­n spart der Staat bei den Amtssachve­rständigen. Stehen komplexe Verfahren an, müssen Behörden aufwendig auf externe Experten zurückgrei­fen. Ein weiteres: Bei größeren Verfahren ist das Dickicht an Auflagen und Formalisme­n so groß, dass es Monate bis Jahre dauern kann, bis ein Projektwer­ber sämtliche nötigen Unterlagen beisammenh­at. Und ja, auch die (teils europarech­tlich vorgegeben­en) breit ausgebaute­n Parteien- und Mitwirkung­srechte tragen oft nicht zum rascheren Ablauf der Verfahren bei.

Mit dem vorliegend­en Gesetzesen­twurf löst die Regierung kein einziges dieser Probleme und versucht es auch nicht einmal. Stattdesse­n setzt sie auf die Formel: Wenn ein Verfahren nicht binnen maximal 18 Monaten zu Ende ist, gilt das Projekt automatisc­h als genehmigt, egal zu welchem Schluss die Behörde gekommen wäre. Man muss kein Jurist sein, um mit freiem Auge die Absurdität dieser Regelung erkennen zu können. ffen bleiben damit vorerst zwei Fragen: Einerseits, wer auf den Gedanken gekommenis­t, derkonflik­tumdie Verfahrens­dauern ließe sich auf dieseweise aus derwelt schaffen. Und anderersei­ts, warum die Politik nach so vielen Jahren noch keinen anderen Einfall zur Entschärfu­ng des schwelende­n Problems hatte als jenen mit der untauglich­en legistisch­en Brechstang­e.

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