Politik mit der Brechstange
Das verunglückte Standortentwicklungsgesetz zeigt: Statt mit legistischer Brachialgewalt vorzugehen, sollte die Regierung die Probleme hinter den überlangen Verfahren lösen.
Diesmal ist es mehr als ein interessens- oder parteipolitischer Reflex. Der Entwurf zum Standortentwicklungsgesetz der Regierung wird nicht nur von Umweltorganisationen und Oppositionsparteien sturmreif geschossen, der Reigen der Kritiker reicht von Richter- und Anwaltsvertretungen über Verwaltungsgerichte bis hin zum Rechnungshof. Kaum ein unabhängiger Rechtsexperte findet sich, der den vom Wirtschaftsministerium vorgelegten Gesetzestext nicht mit Kopfschütteln quittieren würde. Das Gesetz dürfte so ziemlich gegen jede tragende Rechtsnorm verstoßen, der die Republik verpflichtet ist.
Dabei ist das dahinter stehende Ansinnen vernünftig: Genehmigungsverfahren für wichtige Infrastrukturprojekte zu beschleunigen, dagegen gibt es wenig einzuwenden. Auch wenn die Masse der Verfahren ohnedies innerhalb vernünftiger Fristen abgehandelt wird, gibt es sie dennoch, die spektakulären Ausreißer nach oben. Wenn sich Genehmigungsprozesse über Jahrzehnte ziehen, ist das nicht tragbar und es herrscht Handlungsbedarf. Die dritte Wiener Flughafenpiste und die 380-kv-stromleitungen lassen grüßen.
Nicht dass dieser Befund besonders neu wäre. Seit vielen Jahren doktern wechselnde Regierungen erfolglos an der Causa herum. 2009 versuchte der damalige Övp-wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner mit seinem „Wettbewerbsbeschleunigungsgesetz“, Infrastrukturprojekten quasi über die juristische Hintertür einen Turbo zu verpassen. Der Versuch misslang, auch weil die offensichtlichen Probleme hinter den überlangen Verfahren unverändert blieben.
Eines davon: Seit Jahrzehnten spart der Staat bei den Amtssachverständigen. Stehen komplexe Verfahren an, müssen Behörden aufwendig auf externe Experten zurückgreifen. Ein weiteres: Bei größeren Verfahren ist das Dickicht an Auflagen und Formalismen so groß, dass es Monate bis Jahre dauern kann, bis ein Projektwerber sämtliche nötigen Unterlagen beisammenhat. Und ja, auch die (teils europarechtlich vorgegebenen) breit ausgebauten Parteien- und Mitwirkungsrechte tragen oft nicht zum rascheren Ablauf der Verfahren bei.
Mit dem vorliegenden Gesetzesentwurf löst die Regierung kein einziges dieser Probleme und versucht es auch nicht einmal. Stattdessen setzt sie auf die Formel: Wenn ein Verfahren nicht binnen maximal 18 Monaten zu Ende ist, gilt das Projekt automatisch als genehmigt, egal zu welchem Schluss die Behörde gekommen wäre. Man muss kein Jurist sein, um mit freiem Auge die Absurdität dieser Regelung erkennen zu können. ffen bleiben damit vorerst zwei Fragen: Einerseits, wer auf den Gedanken gekommenist, derkonfliktumdie Verfahrensdauern ließe sich auf dieseweise aus derwelt schaffen. Und andererseits, warum die Politik nach so vielen Jahren noch keinen anderen Einfall zur Entschärfung des schwelenden Problems hatte als jenen mit der untauglichen legistischen Brechstange.
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