Zur Person
Es wird auch ein gerüttelt Maß an europäischer Geschicklichkeit bedürfen, diese gemeinsame Interessenlage durchzusetzen. Ich möchte daher eine Kooperation auf parlamentarischer Ebene etablieren, um die Möglichkeit zu geben, unseren Parlamentarismus kennenzulernen.
Ist der österreichische Parlamentarismus wirklich so ein BestPractice-beispiel, dass man ihn exportieren möchte – wenn man etwa an den hohen Anteil der Gesetze denkt, die eigentlich von der Regierung kommen?
SOBOTKA: Ich denke, unser Parlament ist in vielerlei Hinsicht ein gutes Beispiel, auch wenn immer Luft nach oben ist. Wird im Nationalrat lange diskutiert, heißt es, die Politik ist zögerlich. Werdenvorlagen zügig beschlossen, kommt der Vorwurf
ist Nationalratspräsident. Der ehemalige niederösterreichische Landesrat und Innenminister hat angekündigt, diewestbalkanstaaten durchkooperationsprogramme des Parlaments – etwa die Demokratiewerkstatt–„aneuropa heranführen zu wollen“.
des Durchwinkens. Regierung und Opposition werden das vom jeweiligen Standpunkt immer unterschiedlich sehen. HAHN: Es gibt zwei Punkte, bei denen der österreichische Parlamentarismus als Beispiel dienen kann: Es kommt in den Balkanstaaten vor, dass sie über 50 Prozent der Gesetze imfasttrack-verfahren beschließen, ohne Einbindung der Zivilgesellschaft, ohne Begutachtung. Es gibt auch in Österreich immer wieder Diskussionen darüber, aber grundsätzlich haben wir ein anderes Verständnis, was Einbindung angeht. Außerdem gibt es am Balkan ein Schwarz-weiß-denken: Entweder du bist der Gewinner oder du bist Verlierer. Aber Demokratie besteht aus Kompromiss.
In der österreichischen Bevölkerung gibt es in Umfragen eine kla-
HAHN: Wir müssen unseren Bürgern erklären, warum der Beitritt sinnvoll ist. Das geht am besten, wenn diese Länder Fortschritte zeigen. Wir müssen aber auch an internen Schrauben drehen: Die Art, wie wir in der EU derzeit zu Entscheidungen kommen, behindert uns in unserer Arbeit als Block, zu sein, was Präsident Juncker unlängst „weltpolitikfähig“nannte. Wenn ich immer Einstimmigkeit brauche, bin ich mehr in der Reaktion als in der Aktion. Aber natürlich muss die Einstimmigkeit bei der Letztentscheidung über den Beitritt eines neuen Mitglieds erhalten bleiben.
Die EU hat die Bürger zum Thema Sommerzeit befragt. Warum nicht zu entscheidenden Fragen, wie etwa: Wollt ihr eine Erweiterung zum Westbalkan?
HAHN: Politik hat auch die Aufgabe, zu gestalten und voranzugehen. Das ist die Kunst der Politik, dass man die eigenen Bürger nicht aus denaugen verliert und bei den Entscheidungen miteinbezieht, was ihre Einschätzung ist.
SOBOTKA: Die komplexen Zusammenhänge im Hintergrund verantwortungsvoll aufzubereiten und greifbar zu machen, bedarf massiver Aufklärungsarbeit – egal, ob Gegner oder Befürworter. Als Nationalratspräsident wird es Sie zudem wenig überraschen, dass ich ein Verfechter der repräsentativen Demokratie bin. Die Schweiz lebt das anders, hat aber Jahrhunderte an Erfahrung mit Volksentscheiden vorzuweisen. Solange die Beteiligung bei Wahlen um ein Vielfaches höher ist als bei Volksabstimmungen, bin ich immer skeptisch, dass man über Volksentscheide zu Ergebnissen kommt, die die Bürger wirklich wünschen.