Ein misslungener Versuch über den politischen Islam
Sarrazin ist wieder da. Diesmal hat er den Koran gelesen. Seine Erkenntnis ist dünn.
sei daran erinnert: Thilo Sarrazin ist von Haus aus Volkswirt. Mit dieser Begabung für Zahlen betraute das Csu-geführte Finanzministerium untertheodorwaigel den Sozialdemokraten 1990 mit der Durchführung der deutschen Währungsunion. Er führte als Finanzsenator Berlin aus der Schuldenkriseundwurdevorstand der Bundesbank. Er kann also nachweislich mit Zahlen umgehen. Solange er nur Volkswirt blieb, war dieses Talent seine Stärke, doch als er seine Akribie auf die Migrationspolitik lenkte, wurde seine Arbeit zu einer Provokation für seine Partei und zum Spaltfaktor für die Gesellschaft – nicht nur indeutschland. Nunfolgt sein viertes Buch und darin geht er auf die religiösen Grundlagen ein, die er schon in seinem 2010 erschienenen Bestseller „Deutschlandschafft sich ab“als tragende Säule für sein Bedrohungsszenario für die europäische Gesellschaft ausgemacht hat. Nun also hat Sarrazin den Koran gelesen, viele Bücher über den Islam dazu, Daten gesammelt und seine Schlussfolgerungen dazu aufgeschrieben.
Am Ende steht die Erkenntnis: Sarrazin bleibt ein Volkswirt und ist kein Theologe. Insofern ist seinwerk nicht nur mit Fehlern behaftet (so hat der Koran eine Sure mehr, als der Autor schreibt, auch andere Zahlen und Namen sind nicht korrekt), es fehlt auch eine theologisch-historische Einbettung (das wortgetreue Lesen des Alten Testaments als Grundlage für das Verständnis von christlichem Handeln würde allenthalben Kopfschütteln auslösen). Seine Einordnungen bleiben daher pauschal ohne wirkliche Tiefe. Sind seine Argumente tatsächlich Zündstoff für die neue Rechte? Eher nicht. Er schreibt sogar Sätze, die das Buch für rechtsextreme Agitatoren eher unbrauchbar machen. Zahlen und Fakten, die er zusammengetragen hat, sind nicht falsch, nur erneut nicht breit zusammengestellt, weil jede (nachweislich vorhandene) gegenteilige Studie oder Statistik nicht in seine Linie passen würde. Diese Ungenauigkeiten und Einseitigkeiten waren wohl auch der Grund, warum sein jahrelangerverlegerdvain München die Publikation als Sachbuch abgelehnt hat. Ingo Hasewend Thilo Sarrazin: Feindlicheübernahme. Münchner Verlagsgruppe.
496 Seiten. 25,70 Euro.