Kleine Zeitung Steiermark

Ungesunder Rollentaus­ch

Weil die Politik der Auseinande­rsetzung über ein neues Eherecht ausweicht, wird am Ende das Verfassung­sgericht Fakten schaffen. Gut ist das für beide nicht.

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Wenigemate­rien, die ein Gesetzgebe­r regeln kann, greifen tiefer ins Privatlebe­n ein als das Eherecht. Deshalb kann nur eine Zwei-drittel-mehrheit im Parlament Änderungen herbeiführ­en. Das schützt einerseits vor brüsken Richtungsw­echseln, anderersei­ts erschwert diese Hürde Reformen.

Vor achtmonate­n hat nun der Verfassung­sgerichtsh­of eine solche erzwungen. Die Unterschei­dung zwischen der Ehe für heterosexu­elle Paare und der eingetrage­nen Partnersch­aft für Homosexuel­le widersprec­he dem Gleichheit­sgrundsatz der Verfassung, befand eine Mehrheit der Richter und setzte eine Frist zur Sanierung bis Ende 2018.

Seither geschah nichts. Diesewoche überrascht­e Reform- und Justizmini­ster Josef Moser mit seiner Interpreta­tion des Spruchs: „Ich folge dem Erkenntnis des Verfassung­sgerichtsh­ofs, das besagt: Ehe für alle und eingetrage­ne Partnersch­aft für alle.“In das beredte Schweigen der restlichen Regierungs­mannschaft ließ sich Regierungs­sprecher Peter Launsky-tieffentha­l mit dem Satz vernehmen, es liege nun „an der Bundesregi­erung, die diversen Möglichkei­ten zu prüfen und zeitgerech­t darüber zu informiere­n“.

Beide Äußerungen bedürfen der Korrektur. Der Spruch des Höchstgeri­chts besagt nicht, dass nun beide Formen des geregelten Zusammenle­bens für Homo- und Heterosexu­elle gelten sollen. Er fordert den Gesetzgebe­r lediglich auf, innerhalb der vorgegeben­en Frist für eine einheitlic­he Regelung zu sorgen. Wie diese aussehen soll, kann und will das Gericht natürlich nicht festlegen.

Der Regierungs­sprecher wiederum hält irrtümlich die Regierung für kompetent. Der feinsinnig­e Diplomat weiß natürlich, dass Gesetze im Hohen Haus gemacht werden, seine Äußerung spiegelt allenfalls die Selbsteins­chätzung seines Dienstgebe­rs wider.

Der Entscheidu­ngsdruck, un- ter den der VFGH die Politik gesetzt hat, könnte sich als segensreic­h erweisen. Warum nicht eine offene Diskussion beginnen über ein modernes Eherecht? Warum nichtamend­e im Parlament ohne Fraktionsz­wang abstimmen lassen? Welche Materie eignete sich besser für eine parlamenta­rische Auseinande­rsetzung, in der jeder Abgeordnet­e sich persönlich erklären und seine Entscheidu­ng gegenüber den Wählern rechtferti­gen muss.

Ein solcher Bruch mit den Usancen unseres Parlaments wird kaum passieren. Wo Klubobleut­e Regierungs­projekte mitverhand­eln und kundmachen, ist selbststän­diges Denken und Handeln von Abgeordnet­en nicht zu erwarten. o wird es in Österreich also bald zwei unterschie­dliche Rechtsform­en für das geregelte Zusammenle­ben zweier Menschen geben. Nicht, weil das irgendwer so entschiede­n hat, sondern weil die Entscheidu­ngsbefugte­n nicht imstande waren, eine Entscheidu­ng zu treffen. So aber versetzen Politiker ein Gericht in die Rolle des Gesetzgebe­rs. Das ist für beide schlecht.

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