Intrigen und Horror
mädchen, die einst im MexikoCity-bezirk Roma für seine Familie gearbeitet haben, erzählt er von sozialen Kontrasten, vom Ende einer Ehe und einer ungewollten Schwangerschaft. Gern lässt man sich dabei mittreiben durch die Erinnerungen, betrachtet die Geschehnisse dieses leisen Dramas aber abgesehen von ein, zwei Szenen eher emotional distanziert.
Einem Dienstmädchen kam auch in „The Favourite“von Yorgos Lanthimos eine zentralerolle zu. Der Film, für den vor allem Olivia Colman und Emma Stone in Venedig mit lautem Applaus bedacht wurden, geht aber noch weiter in die Vergangenheit zurück: an den Hof von Königin Anne im England des 17. Jahrhunderts. Colman verkörpert sie als tragische Adelsgestalt, die all ihre 17 Kinder verlor, sich gebrechlich durch ihr Palastleben schlepptundfrauen liebt. Umsie entbrennt eine Rivalität zweier Frauen: Da ist Rachel Weisz auf der einen Seite als engste Vertraute, Strippenzieherin und Liebhaberin. Und Stone auf der anderen, die als neues Dienstmädchen smart wie skrupellos ganz eigene Interessen verfolgt. Diese Konstellation mit den drei Frauenfiguren war es auch, die Lanthimos stark an dieser historischen Geschichte interessierte: „Drei komplexe, komplizierte Frauencharaktere in einem Film – so etwas siehtmanselten“, sagte der Regie-exzentriker. Mit verzerrten Weitwinkelaufnahmen bis in die Froschperspektive und manch absurder Idee entwirft er mit vielen angespitzten Dialogen ein unterhaltsam entrücktes Hof-intrigenspiel.
Gibt es den deutschen Psychoanalytiker Lutz Ebersdorf wirklich? Oder handelt es sich doch nur um Tilda Swinton unter dickem Alters-make-up? Auf der Pressekonferenz zu „Suspiria“gab sich die Schauspielerin in Venedig jedenfalls ahnungslos, als sie auf ihre vermeintliche Doppelrolle in Luca Guadagninos Remake von Dario Argentos Horror-thriller angesprochen wurde. Stattdessen verlas sie eine Erklärung des 82-jährigen Schauspieldebütanten, der nicht zum Festival angereist sein soll, weil er eine Privatperson sei. Verdächtig ist es aber dennoch, denn Ebersdorf wäre der einzige männliche Darsteller in der reinen Frauenbesetzung: In dem polarisierenden Wettbewerbsbeitrag kommt Dakota Johnson als junge Amerikanerin in eine Tanzschule im Mauer-berlin der 70er, wo die Lehrerinnen (u. a. Swinton) Hexen sind und ein geheimnisvolles Ritual vorbereiten. Irgendwo zwischen Kunst und Horror könnte der Film kein extremeres Kontrastprogramm zum vorherigen Werk des Regisseurs sein, der sonnendurchfluteten Coming-of-age-story „Call Me by Your Name“.