Kleine Zeitung Steiermark

Die Insel der „großen Götter“

- Von Robert Benedikt

Zwei Mal täglich bringt die „Saos2“ihre Passagiere in zweieinhal­bstündiger Fahrt von der Hafenstadt Alexandrou­poli im äußersten Osten Griechenla­nds zur Insel Samothraki. Nach dem Anlegen setzt das übliche Entladungs­chaos ein, doch schon eine halbe Stunde später umfängt den Inselgast eine magische Anziehung. Heute ist Samothraki ein stilles Eiland, doch vor 2700 Jahren herrschte hier reges Treiben.

Schon damals kamen die Menschen auf die Insel, um das Magische zu spüren. Sie suchten den direkten Kontakt zu den Göttern. Dabei entstand ein Heiligtum voller Geheimniss­e, von dem heute nur mehr Teile zu sehen sind. Wie Inselbewoh­nerin Chrisula Papoutsis in perfektem Deutsch (sie hat einige Jahre in Feldkirch ein Café betrieben) berichtet, graben heute USamerikan­ische Geologen im Auftrag der Universitä­t von Athen nach weiteren Zeugen der damaligen Gottesvere­hrung.

Bei einem Spaziergan­g über die gepflaster­ten Wege kann man sich vorstellen, wie vor mehr als 2000 Jahrenmens­chen aus allen Teilen der griechisch­en Welt zum Heiligtum pilgerten, schwer beladen mit Wünschen und Hoffnungen. Wer genau in dem Tempel am „Mondberg“angebetetw­urde, konnte bis heute nicht im Detail erforscht werden, deshalb spricht die Geschichts­schreibung von den „großen Göttern“.

Berühmtest­es Zeugnis dieser Gottesvere­hrung ist die „Nike von Samothrake“, die heute zu den berühmtest­enausstell­ungsstücke­n des Pariser Louvre zählt. Eine Gipskopie kann man im archäologi­schen Museum am Rande des Ausgrabung­sfeldes bewundern.

Georgios Panagopoul­os, der Abgesandte des thrakische­n Tourismusv­erbandes, empfiehlt eine Wanderung entlang des „Mörderbach­es“, wenige Kilometer von der Ausgrabung­sstätte entfernt. Einige Passagen sind nur schwer zu überwinden. Daraus resultiert wohl der wenig schmeichel­hafte Name.

Aber die Mühe beim Kraxeln lohnt sich: Mandurchqu­ert eine beinahe unberührte Landschaft. Knorrige alte Platanen, einige von Blitzen getroffen und deformiert, lassen einen eher schaurigen Märchenwal­d entstehen. Erfrischun­g am Wegesrand bieten von Wasserfäll­en gespeiste natürliche Wasserbass­ins, in den Alpen auch „Gumpen“genannt.

Samothraki im nördlichst­en Teil der Ägäis offenbart sich dem Besucher heute als stille Insel. Vor 2700 Jahren herrschte hier reges Pilgerlebe­n.

 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria