Geschenk mit Folgen
zwei Jahren besuchten wir mit unserer jüngsten Tochter eine Ausstellung in Stadl-paura (OÖ). Ich war schnell fertig mit der Besichtigung der Exponate rund um die 4000-jährige Beziehung zwischen Mensch und Pferd, während Astrid und Sophie Stunden brauchten. Dabei entdeckte meine Frau den Abguss eines antiken Grabsteins mit der Darstellung eines Pferdewagens. Dieser bekannteste Römerstein Österreichs zierte seinerzeit den Buchdeckel der „Vianova“, eines Lateinbuchs, das einer unserer Kollegen verfasst hatte.
Da dieser mittlerweile pensionierte Lehrer bald darauf einen runden Geburtstag feierte, erreichte Astrid beim Kurator derausstellung, dass er ihr nach deren Ende das Kunstwerk verkaufte. Bald darauf fuhr ich also mit unserem Bus wieder nach Stadl-paura, wo wackere Speditionsfachleute das gut 100 kg schwere Geschenk verluden. Zu Hause schleppten vier meiner Söhne das Monstrum zur Zwischenlagerung ins Gartenhaus.
Die feierliche Überreichung fand in einem erlesenen Kollegenkreis statt, nachdem das Relief unbeschadet von unseren nun schon ein wenig fluchenden Söhnen ins Wohnzimmer transportiert worden war. Der Jubilar war geziemend gerührt, wollte eine solche Antiquität aber nicht in seinem Garten aufstellen, sondern seiner ehemaligen Wirkungsstätte als Dauerleihgabe überlassen. Augenrol- lend verpackten unsere Burschen das Relief aufs Neue und schleppten es ins Gartenhaus, bis mit der Schulleitung geklärt war, wo es aufzuhängen sei. Schließlich machten sie sich, teils leise stöhnend, teils sämtlicherelikte der römischen Antike verfluchend, ein letztes Mal auf den Weg und wuchteten es in die alte Kellerbibliothek der Schule.
Jetzt hängt es im Foyer des Akademischen Gymnasiums. Kurz wurde die Anbringung ei- nes Glassturzes erwogen, nachdem eine freche Schülerhand ein Pferdeohr mit einer kleinen Kritzelei verziert hatte. Ich ersuche die Direktion, keinen Standortwechsel in Erwägung zu ziehen. Meine Söhne haben mir nämlich jede weitere Zusammenarbeit aufgekündigt, indem sie erklärten: „Nicht böse sein, Papa, aber diesen depperten Wagen greifen wir nie wieder an.“
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