Und Jared Leto ging über das Wasser
8000 Menschen erlebten eine bunte Show, bei der die Musik längst keine Hauptrolle mehr spielt.
Ooooh,
ja, es gibt einiges zu mäkeln. Diese penetranten Ooooohhhh-chöre bei jedem Song. Und dass Herr Leto pausenlos Regieanweisungen gibt: aufstehen, niedersitzen, mitklatschen, mitwinken, mittanzen, mitsingen. Ist das jetzt ein Konzert oder eine Club-medAnimationsstunde? Und das ständige Heraufbestellen von Fans auf die Bühne, die dann nicht wissen, was sie dort oben eigentlich tun sollen. Und die Luftballons und der Papierschnipselregen, sowas von vorgestern. Und die Musik erst, ach weh! Übler Teflon-pop, da bleibt nicht das Geringste picken. Ooooh, ja, wenn 30 Seconds To Mars landen, möchte man mit dem Mäkeln gar nicht mehr aufhören.
Und dennoch: alles nicht so wichtig, alles nicht so schlimm. Die treue, eingeschworene Fangemeinde, die sich am Samstag in der Grazer Stadthalle eingefunden hat, zelebrierte mit grenzenloser Begeisterung einen für sie makellosen Konzertabend mit ihrem Pop-messias Jared Leto, Aktuelle CD:
der in einer farbenprächtigen Tunika auf die Bühne herabstieg, umrund 8000Menschen in seinen Bann zu ziehen. Bruder Shannon bearbeitete das Schlagzeug, ein Tour-gitarrist werkte im Hintergrund. Mehr ist von der Band nicht übrig geblieben. Die Dj-beats kamen aus der Box, die Lichtspiele waren üppig, aber nicht exzessiv. Nichts sollte von der Lichtgestalt ablenken, um die sich alles dreht. „Walk Onwater“heißt ein Song aus dem neuen Album „America“; nur folgerichtig für den umjubelten Hollywood-beau, der sich gerne als Jesus-double inszeniert.
Die Musik, umwenigstens einige Worte darüber zu verlieren, ist mittlerweile bombastischer Stadionrock, nur die älteren Songs erinnern noch entfernt an den Alternative Rock der Anfangsjahre. Trotz musikalischer Belanglosigkeit – und das war das verblüffende an diesem Konzert – war es ein atmosphärisch positiv besetztes Erlebnis; eine Art Kindergeburtstag. Es gab dort zwar nur Limonade und Zuckerwatte, aber alle waren trunken und satt vor Glückseligkeit.
Jared Leto sind trotz divenhafterunnahbarkeit eine ungeheure Präsenz und faszinierende Aura nicht abzusprechen. Er kommtvon einem fernen Stern, geht den Menschen aber dennoch nahe – vielleicht ist das sein Geheimnis.
Nach rund 90 Minuten war der Zauber vorbei. Und von der mit Dutzenden Fans voll besetzten Bühne und aus dem Publikum ertönte ein lautes, herzhaftes ooooooohhhhh.
Bernd Melichar JÜRGEN FUCHS