Der Griff nach Europa
Mit Angela Merkels Segen macht sich der Bayer Manfredweber (CSU) auf denweg ins Chefbüro der Eu-kommission. Wird Deutschlands Macht zu groß? Nicht zwingend.
Schon im Sommer hatte sich Manfredweber in Position gebracht. Bei der Tagung der Europäischen Volkspartei in München, seinerheimatregion, trat der Csu-politiker und Eu-abgeordnete als Gastgeber auf, wollte von Sebastian Kurz das Rezept für erfolgreiche Wahlkämpfe wissen – seither ist er auch ein begeisterter „Brückenbauer“– und begrüßte als Rednerin Angela Merkel. Einiges Wasser floss seither noch die Isar hinunter, aber jetzt konnteweber die Ernte einfahren: Mit dem Segen der Chefin geht er als Spitzenkandidat in die Eu-wahlen.
Damit hat der Bayer reale Chancen, Nachfolger von JeanClaude Juncker als Präsident der Eu-kommission zu werden. Und schon fürchten viele, die Deutschen würden damit nicht nur wirtschaftlich, sondern auch politisch Europa unter ihre Kontrolle bringen.
Schließlich sind die übrigen Großen mit anderen Dingen beschäftigt. Die Briten verabschieden sich vom vereinten Festland, Macron hat in Frankreich zu kämpfen, in Italien haben die Rechtspopulisten und Eu-skeptiker das Sagen – ein europäisches Machtvakuum entsteht. Ausgerechnet dann, wenn die EU, wieweber es ausdrückt, sowohl von innen als auch von außen attackiert wird.
Also muss Deutschland ran. Und kapert gleich die ganze EU? Aber nein. Erst einmal wird Weber nicht der einzige Kandidat bleiben, die EVP entscheidet das erst im November. Immer wieder fallen andere Namen, etwa der des finnischen Ex-regierungschefs Alexander Stubb oder auch jener von Brexit-chefverhandler Michel Barnier (der allerdings noch eine Aufgabe zu erledigen hat und schon einmal gescheitert ist). Auch die anderen Fraktionen im Eu-parlament werden ihre Kandidaten präsentieren.
Weiterer Knackpunkt ist, dass es zwischen den großen Parteifamilien im Gegensatz zum letzten Mal keinen „Deal“geben wird; ganz einfach deshalb, weil der Ausgang der Wahlen völlig ungewiss ist und man es durchaus für möglich hält, dass durch die Zuwächse bei den Rechten und Populisten die Mehrheit von EVP und Sozialisten bald Geschichte ist.
Und schließlich muss Weber, der zwar Fraktionschef ist, aber noch nie eine Regierung geführt hat, von den Staats- und Regierungschefs akzeptiert werden – es wäre das erste Mal, dass ein Kommissionspräsident nicht aus deren Reihen kommt. ollte es ein Deutscher sein, der im Chefsessel landet, dann hat das zwei weitere Konsequenzen: Es kann kein weiterer Deutscher als Kommissar eingesetzt werden (wie derzeit Haushaltskommissar Günther Oettinger, der sich bereits ausdrücklich für Weber starkgemacht hat) und es ist klar, dass auch der Nachfolger von Mario Draghi als Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB) nicht von Berlin gestellt wird. Hier sollte eigentlich Bundesbank-chef Jens Weidmann ins Rennen geschickt werden.
Merkel hat sich offensichtlich für den Top-job in der Kommission entschieden. Ob die Rechnung aufgeht, muss sich aber erst zeigen.
S