Ein kleiner Blick nach nebenan
Warum gute Nachbarschaft so wichtig ist und wie sie gelingt. Profi-vernetzer von Onlineplattformen verraten, wie man (Tür-)schwellenängste überwinden kann.
Auf dem Land funktioniert sie noch gut, die sogenannte Nachbarschaftshilfe. In den Städten hingegen stapeln sich die Wohnungen übereinander und trotzdem fühlen sich viele sehr einsam. Dabei belegen unzählige Studien: Wo der Zusammenhalt funktioniert, sind diemenschen gesünder, glücklicher und zufriedener. Die meisten wünschen sich auch Kontakt zu ihrennachbarn, scheitern aber an folgenden Hürden: Man trifft sich einfach selten zufällig, lebt irgendwie auf einer einsamen Insel, befindet sich in viel zu unterschiedlichen Lebenssituationen, will die anderen einfach nicht stören oder hat schlichtweg keine Zeit, Kontakte zu knüpfen. So zumindest das Ergebnis einerumfrage der österreichischen Nachbarschaftsplattform Fragneben- an.com. Seltsam, aber wahr: Digitale Nachbarschaftsvernetzung könnte ein Ausweg aus dem Dilemma sein. In Deutschland machte Nebenan.de 2015 den Anfang und entwickelte sich bis heute mit 100.000 Nutzern zur „erfolgreichsten Nachbarschaftsplattform Kontinentaleuropas“. Die Nebenan-mitgründer Ina Brunk und Michael Vollmann haben nun ihrwissen in Sachen Nachbarschaftspflege in Buchform zusammengefasst und liefern damit eine Fülle von Anregungen, wie wertvolle Freundschaften zwischen Menschen entstehen können, die ganz zufällig im selbenviertel wohnen. Siehe rechts.
Die österreichische Plattform fragnebenan.com bringt es aktuell auf rund 56.000 Teilnehmer. Was 2015 in Wien begann, hat sich bis heute, wie Mitbegründer Stefan Theißbacher erzählt, auf alle österreichischen Städte mit mehr als 100.000 Einwohnern ausgebreitet – auch ein paar kleinere Städte wie Kapfenberg und Leoben sind dabei. Thematisch ist man breit aufgestellt. Ein Viertel der Anfragen drehe sich um klassische Nachbarschaftshilfe, man borgt sich Werkzeug oder Küchengeräte aus, teilt Rucksack und Co. oder geht aushilfsweise mit dem Hund des Nachbarn Gassi. Eine weitere wichtige Sparte seien Empfehlungen: Wer kennt zum Beispiel einen guten Arzt oder Handwerker in der Gegend? Der dritte große Brocken sind Treffen mit Gleichgesinnten, etwa zum gemeinsamen Laufen rund um den Häuserblock. Und last, but not least lässt sich die Plattform wunderbar für Kleinanzeigen nutzen, etwa um Siedelkartons weiterzugeben. Die häufigsten Nutzer von Fragnebenan? „Junge Eltern und – das hat uns überrascht – Leute, die gerade in Pension gegangen sind“, sagt Theißbacher. Ersteren gehe es um den Sharing-gedanken, um etwa Spielzeug und Kleidung auszutauschen. Letztere suchen vor allem Gesellschaft und Gemeinschaft. Fazit: Offline geht schon viel, online geht manchmal einfach noch mehr.