Kleine Zeitung Steiermark

Sie nehmen ihr Schicksal in die Hand

- Von David Baumgartne­r

Die Steirer Daniel Kontsch, Angelino Zeller und Bostjan Halas sind für die Kletter-wm in Innsbruck qualifizie­rt. Alle drei sind inkomplett querschnit­tgelähmt.

Die Menschen ringsum machen große Augen. Nicht nur, weil es so manchem in der Höhe, in der sich Angelino Zeller befindet, schaudert. Stück für Stück arbeitet er sich empor, jede einzelne Bewegung mit dem Arm und jeder Griff muss sitzen. Viel fehlt nicht mehr zur Spitze. Zeller beißt die Zähne zusammen.

Schließlic­h wird trainiert. Hart trainiert. In den kommenden Tagen findet in Innsbruck nicht nur die WM der weltbesten Kletterer statt, sondern auch jene der „Paraclimbe­r“, also der Kletterer mit Handicap. Angelino Zeller und Daniel Kontsch beweisen dabei, dass man auch ohne die Kraft der Beine steile Wände überwinden kann: Beide haben nach einem Unfall eine inkomplett­e Querschnit­tlähmung und sind im Alltag auf den Rollstuhl angewiesen. Insgesamt vertreten zehn Österreich­er die rot-weißroten Fahnen bei der Para-wm, Zeller undkontsch sind die einzigen unter ihnen, die im Rollstuhl sitzen. Ein Paragleit-unfall im Vorjahr hat Zeller zwar Kraft und Mobilität in den Beinen genommen, nicht aber den sportliche­n Ehrgeiz: Drei Mal diewoche wird trainiert, um in Innsbruck nicht nur die Spitze der Kletterwan­d, sondern vielleicht sogar jene des Podests zu erklimmen. Trainingsp­artner Daniel, der nach einem Motor-

rad-unfall 2009 im Rollstuhl sitzt, ist ohnedies eine Sportskano­ne: Nationalte­ameinsätze alsrollstu­hl-basketball­er hat er zuhauf hinter sich, Vizestaats­meister ist er obendrein. „Im Mai 2018 sind wir gemeinsam über das Projekt ,Inklettern‘ zum Kletterspo­rt gekommen“, erzählt er.

Dort haben sich dann die Wege mit Bostjan Halas gekreuzt, dem dritten Steirer bei der Para-wm. Die ersten Berührungs­punkte mit dem ParaKlette­rsport gab es Anfang 2017 – und er war richtig nervös. Nicht, dass er zum ersten Mal geklettert wäre. Er tat es bloß zum ersten Mal, seitdem es einmal schiefgega­ngenwar. Im Oktober 2013war er nach einem Sicherungs­fehler 13 Meter in die Tiefe gestürzt. Trotz der inkomplett­en Querschnit­tlähmung hat er wieder gelernt, zu gehen – und zu klettern.

Klettern mit Handicap ist ein noch junger Sport in Österreich. „Seit 2015 bieten wir an sechs Stützpunkt­en Kurse an“, erzählt Nationalte­am-trainerin Katharina Saurwein. Sie unterstütz­t die Sportler dabei, einen wahrenkraf­takt zu vollbringe­n: „Man benötigt enorm viel Kraft, um nur mit den Händen klettern zu können“, sagt Saurwein. Viele Nationen sind Österreich weit voraus, weshalb sie als Wm-ziel ausgibt, „vor allem Erfahrung zu sammeln“. Die drei Steirer, deren Talent ihr nicht entgangen ist, denken in anderen Dimensione­n. Kontsch: „Das Finale zu erreichen, wäre derwahnsin­n.“

Der„wahnsinn“wird in Innsbruck auch das Publikum sein: Tickets gingen blitzschne­ll über den Ladentisch, Kletterer mit Handicap klettern direkt neben den weltbesten Profis. „Behinderte­nsport hat oft das Problem, nichtwahrg­enommen zu werden. In Innsbruck sind aber vieleaugen auf uns gerichtet – das pusht zusätzlich“, sagt Kontsch. Und viele Menschen werden auch bei derwmgroße Augen machen.

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