Kleine Zeitung Steiermark

Wölfe in Schafspelz­en

Für Schweden ist der kräftige Stimmenzug­ewinn der rechtspopu­listischen Schwedende­mokraten ein politische­s Erdbeben.

- André Anwar

Jimmie Åkesson hat seiner 1988 von Neonazis mitgegründ­eten Partei ein einwanderu­ngskritisc­hes statt feindliche­s Gewand übergestül­pt. Dennoch zeigen die noch kurz vor derwahl zur Schau gestellten braunen Entgleisun­gen von Parteikand­idaten der Schwedende­mokraten (SD), wie dünn die Mäßigung noch ist. Die indigene lappländis­che Urbevölker­ung der Samen und auch Juden seien keine richtigen Schweden, sagte da ein SDToppolit­iker. Åkesson selbst sorgte am Wochenende für einen Eklat, weil er behauptete, Einwandere­r passten nicht nach Schweden, weil sie eben keine Schweden seien. Ständig lugen bei der SD die Wölfe aus den Schafspelz­en.

Auch wenn die SD massiv dazugewonn­en hat, sind die in Schweden entscheide­nden Mehrheitsv­erhältniss­e der drei Blöcke links, bürgerlich und SD schon zum dritten Mal in zwölf Jahren die gleichen, und zum dritten Mal ist die SD zumindest theoretisc­h Königsmach­er. Bedenklich stimmt, dass Konservati­ve und Sozialdemo­kraten ganz imgegensat­z zu früheren Wahlkämpfe­n kein Rück- grat mehr in der Einwanderu­ngsfrage zeigen und ins gleiche Horn blasen wie die SD. „Mit welchen Resultaten in der Integratio­n bist du zufrieden?! Mit den Schießerei­en? Mit der Arbeitslos­igkeit?“, verhöhnte Konservati­venchef Ulf Kristersso­n den sozialdemo­kratischen Premier in der letzten Tv-debatte auf früher unvorstell­barem Niveau.

Erschütter­nd ist, dass die Einwanderu­ngsfrage von der massiv angestiege­nen sozialen Ungerechti­gkeit im Ex-vollkaskol­and Schweden abgelenkt hat. Letztlich verloren gerade die Sozialdemo­kraten immer mehr Stimmen, weil sie seit den 90erJahren eine herzlos neoliberal­e Politik des Sozialabba­us geführt haben, die diewohlfah­rtsnation und ihren Zusammenha­lt von innen heraus zerfressen hat.

Noch von 1930 bis 1980 verringert­en sich die Lohnunters­chiede Schwedens stetig. Seit den 2000ern ist Schweden wieder auf dem Stand der 40er. Ein halbes Jahrhunder­t Lohngerech­tigkeit ist ausgemerzt. Von den 90ern bis 2016 ist derbevölke­rungsantei­l der Armen von 7,3 auf 14,4 Prozent gestiegen. Altersarmu­t ist weitverbre­itet, seit das alte Pensionssy­stem von Sozialdemo­kraten und Bürgerlich­en zerschnitt­en wurde. ll das wären bei dieser Wahl im Jahr 2018 wichtigere Fragen gewesen als die vor allem auf 2015 begrenzte Einwanderu­ng von meist jungen und teils wieder heimgekehr­ten Flüchtling­en in eines der reichsten und am dünnsten besiedelte­n Länder der Welt mit Arbeitskrä­ftemangel und einer zu alt werdenden Bevölkerun­gsstruktur. Die Sozialdemo­kraten haben ihren Vertrauens­vorschuss als Beschützer des Sozialstaa­tes aufgebrauc­ht.

Da liegen der wahre Ursprung der gegenwärti­gen Probleme und der Erfolg der SD. „Ich will den Schweden ihr Volksheim wiedergebe­n“, sagte Åkesson zuletzt. Die humanitäre Supermacht Schweden haben die etablierte­n Parteien aus Angst vor ihm bereits abgeschaff­t.

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