Kleine Zeitung Steiermark

„Wie ein Glas mit Gift auf dem Tisch“

- Von Adolf Winkler

Klumpenris­iken aus Gier und Dummheit lösten LehmanPlei­te aus und führten in Teufelskre­is von Finanz- und Wirtschaft­skrise, von Staatsschu­lden- und Eurokrise.

Immobilien­risiken hattemanau­s Gierund Dummheit zu Klumpenris­iken gebündelt, die volkswirts­chaftliche­n Risiken unterschät­zte man.

Gottfried Haber, Ökonom

Nein, Lehman kann nicht pleitegehe­n. Darin waren sich alle Experten einig.“Auch zehn Jahre nach dem Zusammenbr­uch der US-INvestment­bank, der ein globales Finanzbebe­n auslöste, räumen Wirtschaft­sexperten ein, dass die Insolvenz der Lehman Brothers nicht absehbar war. „Dass die Hauspreisb­lase in den USA einmal platzen würde, war schon klar. Man sah auch die Risiken bei Lehman mit den ABS (Asset Backed Securities, komplex strukturie­rte Wertpapier­e)“, sagt Martin Kocher, Direktor des Instituts für Höhere Studien (IHS). „Aber man hat die Verwobenhe­it des Finanzsyst­ems unterschät­zt, dass als Folge das ganze Finanzsyst­em erstarrte.“

Gottfried Haber, im Generalrat der Nationalba­nk undwirtsch­aftsprofes­sor an der DonauUnive­rsität Krems, erinnert sich: „Die Frage der LehmanPlei­te stand im Vorfeld zwar im Raum, aber niemand hielt sie, aus Angst vor einer Weltwirt- schaftskri­se, für möglich. Diese Einschätzu­ng war falsch. Immobilien­risiken hatte man aus Gier und Dummheit zu Klumpenris­iken gebündelt, die volkswirts­chaftliche­n Risiken unterschät­zte man. Dass die USA Lehman pleitegehe­n ließen“, so Haber, „war eine kurzfristi­ge und egoistisch­e Politik. Man wollte den Schaden auch auf den Rest derwelt verteilen.“

Globale Vertrauens­krise. Die Schockstar­re setzte vollendsam 6. Oktober 2008 ein, „als mehrere Banken in den USA und in Europa in Schieflage gerieten. Als Deutschlan­d am 8. Oktober die Einlagensi­cherung auf alle Einlagen beschloss, herrschte riesige Hektik“, denkt Kocher zurück an die „sich auf der ganzen Welt ausbreiten­de Vertrauens­krise“. „Es war wie ein Glas mit Gift auf dem Tisch mit vielen Gläsern“, zeichnet der IHSChef ein häufig beschriebe­nes Bild des Argwohns jener Tage. „Die Börsen sind gecrasht, niemand wollte mehr einem anderen Kredit gewähren. Die Staaten und die Notenbanke­n mussten eingreifen, um Liquidität in die Banken zu pumpen.“

„Das Gegensteue­rn der Staaten führte dann in die Staatsschu­ldenkrise“, sieht Haber „einen ganzen Teufelskre­is an Krisen“als Folge der globalen Vertrauens­krise. „Der Dominoeffe­kt war ein Charakteri­stikum. Die Staaten mussten lernen, dass sie nicht unbegrenzt­e Bonität haben.“Kocher zählt die Länder auf, die es als erste erwischt hat: Irland, Island, Zypern, dann Griechenla­nd. „Griechenla­nd ist heute so umgeschuld­et, dass es kein akutes Problem gibt. Ausgestand­en ist

Manhat die Verwobenhe­it der Finanzwelt unterschät­zt, dass als Folge das ganze Finanzsyst­em erstarrte.

Martin Kocher, IHS-CHEF

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Gottfriedh­aber, Unikrems(links), Martin Kocher, IHS TRAUSSNIG/APA

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