„Die Menschlichkeit bleibt auf der Strecke“
Abschiebung trennt Familie: Schwer krankes Mädchen (7) blieb mit Vater hier, die Mutter musste mit 4-Jähriger nach Kiew.
Lukas Premm ist fassungslos. Seit Tagen versucht er alle Hebel in Bewegung zu setzen, um einer russischen Familie von der Krim zu helfen, die er in den letzten Monaten begleitet hat. Seit Tagen wird er vertröstet, weitergeschickt zwischen Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) und Innenministerium: „Dabei will ich kein Asyl erzwingen. Aber ich will diesem kleinen Mädchen helfen.“
Vor zehntagen ist die Familie durch eine Abschiebung nach Kiew getrennt worden. Karyna (7), die anmukoviszidose (Genmutation, die Lungenerkrankungen begünstigt) leidet, war nicht transportfähig, die Eltern wurden vor die Wahl gestellt, wer bei ihr bleibt. Daraufhin wurde Mutter Iryna mit der vierjährigen Tochter Kseniia abgeschoben, Vater Anatolii blieb bei Karyna.
Damit nicht genug. Waren sie davor in einer Unterkunft für schwerbehinderte Asylwerber in Graz-andritz untergebracht, wo Karyna ein eigenes Klo und KK eine Dusche hatte, verlegte man Vater und Tochter nach Puntigamund nun nachtraiskirchen. Premm: „Jetzt muss das Mädchen in einen Kübel urinieren, den der Vater immer neu desinfizieren muss.“Im Arztbrief ist die Unterbringung mit speziellen hygienischen Maßnahmen als „unbedingt erforderlich“vermerkt: Sonst bestehe „eine Gefährdung der Patientin durch eine Besiedelung mit Problemkeimen, die ein rasches Fortschreiten ihrer Lungenerkrankung begünstigen“.
„Von der Krim geflüchtet ist die Familie, weil sie Zeugen Jehovas sind, die in Russland verfolgt werden. Karyna wurde deshalb im Krankenhaus nicht mehr behandelt“, erzählt Premm. Und bei einer Abschiebung in die Ukraine, wo KrimRussen verhasst sind, wäre es um eine entsprechende medizinische Versorgung schlecht bestellt“, fürchtet Premm.
Auch der Vater ist von Abschiebung bedroht, sagt Evavelibeyoglu, Wiener Anwältin der Familie: „Der Amtsarzt entscheidet, ob das Mädchen transportfähig ist. Ich hoffe, dass diekleine nicht allein hierbleiben muss.“Die Juristin ist entsetzt: „Fremdenrechtlich ist derzeit die Hölle los, es wird abgeschoben, was das Zeug hält.“Offenbar ohne Rücksicht auf Verluste: „Die Menschlichkeit bleibt hier auf der Strecke.“
Der Sprecher des Innenministeriums, Christoph Pölzl, kann den Einzelfall nicht kommentieren. Aber: „Wir prüfen jedenfalls, ob die medizinische Versorgung in dem Land, in das wir abschieben, gegeben ist. Und bei Krankheitsfällen schieben wir mit Ambulanzflug ab.“Vorher müsse der Amtsarzt grünes Licht geben. Es sei stets auch ein Notarzt mit an Bord.