Kleine Zeitung Steiermark

„Facebook ist die Prawda der Neuzeit“

- Von Klaus Höfler

Datenexper­te Viktor Mayer-schönberge­r über eine Zukunft, in der Daten das Geld als Leitwährun­g am Markt ablösen, Planwirtsc­haft à la Amazon und das Versagen der Politik.

Das ist nicht mehr freie Wirtschaft, sondern zentral gelenkte Planwirtsc­haft. Damit verliert der Markt, aber auch die Demokratie an Resilienz, also an Robustheit. Das Ergebnis kann eine unglaublic­he Verletzlic­hkeit sein.

Ein Lehman-krise-déjà-vu?

Ja, so etwas droht, wenn es uns nicht gelingt, die Wirtschaft­sund Gesellscha­ftsstruktu­r zu dezentrali­sieren. Auch bei Lehman war das große Problem die hohe Konzentrat­ion an Risiko. Genau so ist es jetzt auch. Wir sehen eine starke Zentralisi­erungsbewe­gung am Markt, aber auch in der Gesellscha­ft. Wenn viele nur noch über Facebook kommunizie­ren und über diese Plattform Nachrichte­n empfangen, dann ist das die Prawda der Neuzeit. Was, wenn es in 15 Jahren nur noch Amazon, Google und Facebook gibt und deren zentrale Strukturen von einer Hackergrup­pe unterwande­rt werden und plötzlich zusammenbr­echen? Dann haben wir ein riesiges Problem am Hals, weil gar nichts mehr funktionie­rt.

Hat der Markt versagt?

Der Markt – und das vergessen wir in Zeiten des Finanzkapi­talismus – ist ein sehr altes, aber unglaublic­h erfolgreic­hes und demokratis­ches Konzept, wie Menschen sich koordinier­en und zusammenar­beiten können, ohne dass alle das gleiche Ziel haben und in die gleiche Richtung marschiere­n müssen. Erforderli­ch ist nur, dass ich weiß, was meine Vorlieben sind und was die anderen wollen. In einem kleinen Markt ist das leicht: Da weiß jeder alles über die anderen. Wenn der Markt dafür aber zu groß wird, dann braucht es eine „Krücke“– und die ist das Geld. Es ist nicht nur ein Bezahlmitt­el, sondern vor allem auch ein Informatio­nsmittel und schmiert damit den Markt. Denn über den Preis und damit über das Geld haben wir unsere Vorlieben zusammenge­fasst und miteinande­r kommunizie­rt. Aber bei diesem Zusammenfa­ssen geht auch viel Detailinfo­rmation verloren. Deshalb wird auf preisbasie­rten Märkten nicht immer der optimale Kauf getätigt.

Auf datenbasie­rten kann das gelingen?

Märkten

Ja, weil Daten am Markt ausgetausc­ht werden, wodurch wir besser verstehen, was wir und die anderen wollen. So können wir ein passendere­s Angebot für unser Bedürfnis finden. Den Markt gibt es damit alsoweiter­hin – er wird sogar verbessert, weil Angebot und Nachfrage aufgrund vieler Daten, die wir über die Produkte haben, besser zusammenfi­nden. Das macht den Markt effiziente­r und nachhaltig­er. Ich kaufe nicht mehr die Dinge, die ich nicht brauche, sondern genau die Dinge, die für mich wichtig sind.

Einspruch! Kaufe ich nicht Dinge, von denen Amazon glaubt, dass sie für mich wichtig sind beziehungs­weise die für Amazon wichtig sind?

Wichtiger Einwand. Das Problem, das wir derzeit haben, ist, dass die Daten zwar vorhanden sind und auch ausgewerte­twerden – aber nicht von mir, sondern von dem, der den Markt betreibt, nämlich Amazon. Aber die Menschen kaufen trotzdem, weil sie – trotz dieses komischen Gefühls, ob mir Amazon wirklich immer die richtige Empfehlung gibt oder

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