„Facebook ist die Prawda der Neuzeit“
Datenexperte Viktor Mayer-schönberger über eine Zukunft, in der Daten das Geld als Leitwährung am Markt ablösen, Planwirtschaft à la Amazon und das Versagen der Politik.
Das ist nicht mehr freie Wirtschaft, sondern zentral gelenkte Planwirtschaft. Damit verliert der Markt, aber auch die Demokratie an Resilienz, also an Robustheit. Das Ergebnis kann eine unglaubliche Verletzlichkeit sein.
Ein Lehman-krise-déjà-vu?
Ja, so etwas droht, wenn es uns nicht gelingt, die Wirtschaftsund Gesellschaftsstruktur zu dezentralisieren. Auch bei Lehman war das große Problem die hohe Konzentration an Risiko. Genau so ist es jetzt auch. Wir sehen eine starke Zentralisierungsbewegung am Markt, aber auch in der Gesellschaft. Wenn viele nur noch über Facebook kommunizieren und über diese Plattform Nachrichten empfangen, dann ist das die Prawda der Neuzeit. Was, wenn es in 15 Jahren nur noch Amazon, Google und Facebook gibt und deren zentrale Strukturen von einer Hackergruppe unterwandert werden und plötzlich zusammenbrechen? Dann haben wir ein riesiges Problem am Hals, weil gar nichts mehr funktioniert.
Hat der Markt versagt?
Der Markt – und das vergessen wir in Zeiten des Finanzkapitalismus – ist ein sehr altes, aber unglaublich erfolgreiches und demokratisches Konzept, wie Menschen sich koordinieren und zusammenarbeiten können, ohne dass alle das gleiche Ziel haben und in die gleiche Richtung marschieren müssen. Erforderlich ist nur, dass ich weiß, was meine Vorlieben sind und was die anderen wollen. In einem kleinen Markt ist das leicht: Da weiß jeder alles über die anderen. Wenn der Markt dafür aber zu groß wird, dann braucht es eine „Krücke“– und die ist das Geld. Es ist nicht nur ein Bezahlmittel, sondern vor allem auch ein Informationsmittel und schmiert damit den Markt. Denn über den Preis und damit über das Geld haben wir unsere Vorlieben zusammengefasst und miteinander kommuniziert. Aber bei diesem Zusammenfassen geht auch viel Detailinformation verloren. Deshalb wird auf preisbasierten Märkten nicht immer der optimale Kauf getätigt.
Auf datenbasierten kann das gelingen?
Märkten
Ja, weil Daten am Markt ausgetauscht werden, wodurch wir besser verstehen, was wir und die anderen wollen. So können wir ein passenderes Angebot für unser Bedürfnis finden. Den Markt gibt es damit alsoweiterhin – er wird sogar verbessert, weil Angebot und Nachfrage aufgrund vieler Daten, die wir über die Produkte haben, besser zusammenfinden. Das macht den Markt effizienter und nachhaltiger. Ich kaufe nicht mehr die Dinge, die ich nicht brauche, sondern genau die Dinge, die für mich wichtig sind.
Einspruch! Kaufe ich nicht Dinge, von denen Amazon glaubt, dass sie für mich wichtig sind beziehungsweise die für Amazon wichtig sind?
Wichtiger Einwand. Das Problem, das wir derzeit haben, ist, dass die Daten zwar vorhanden sind und auch ausgewertetwerden – aber nicht von mir, sondern von dem, der den Markt betreibt, nämlich Amazon. Aber die Menschen kaufen trotzdem, weil sie – trotz dieses komischen Gefühls, ob mir Amazon wirklich immer die richtige Empfehlung gibt oder